Schluss mit Schuldenmachen? Da darf man skeptisch sein . . .
Von Ausgabenbremse und Nulldefizit war im Wahlkampf die Rede: Wagen Regierende den Bruch mit Traditionen?
Wieder einmal sind die Staatsfinanzen in aller Munde, wieder einmal mit den üblichen Schlagwörtern „Ausgabenbremse“und „Nulldefizit“. Wirtschaftsexperten fordern: Die aktuelle Hochkonjunktur müsse für konkrete ausgabenseitige Maßnahmen und zum Abbau der Staatsverschuldung genützt werden.
Die Parteien scheinen mitzuziehen: „Mit dem Schuldenmachen muss Schluss sein“, hieß es im Wahlprogramm der ÖVP, während die FPÖ einer „Verhinderung der für künftige Generationen belastenden Neuverschuldungspolitik“das Wort redete und die SPÖ einen schlankeren Staat und „eine geringere Schulden- und Abgabenquote bei gleichzeitiger Nutzung aller sich bietenden Einsparungspotenziale“forderte. Im Wahlkampf war – sehr vage – von Ausgabenreformen als Gegenfinanzierung zu den vollmundig versprochenen Steuersenkungen die Rede.
Stellt sich bloß die Frage: Wie realistisch ist es, dass besagte Forderungen und Ankündigungen tatsächlich umgesetzt werden?
Ein Blick auf Österreichs budgetpolitische Traditionen mahnt zur Skepsis. Seit der Republikwerdung 1918 gab es insgesamt nur vier Bundesrechnungsabschlüsse ohne Negativsaldo, nämlich 1925, 1929, 1953 und 1954. Eine Tatsache, aus der sich zweierlei schlussfolgern lässt. Erstens: Zu keinem Zeitpunkt verfolgten die Bundesregierungen – in welcher Farbenkonstellation auch immer – eine konsequente Haushaltspolitik im Sinne nachhaltiger ausgabenseitiger Reformen.
Keine ausgeglichenen Budgets
Konnten die Budgetdefizite etappenweise reduziert werden, geschah dies in der Regel durch konjunkturbedingt höhere Steuereinnahmen, zum Teil auch durch „kreative“Budgetierungstechniken oder einmalige Entlastungen (Privatisierungen).
Zweitens: Von wenigen Ausnahmen abgesehen war der Bund selbst in ökonomisch günstigen Phasen nicht in der Lage, für ein ausgeglichenes Budget zu sorgen. Die besonders im Zusammenhang mit dem massiven Schuldenanstieg seit den 1970er-Jahren geführten Diskussionen um die konjunkturellen bzw. antizyklischen Ursachen der Budgetprobleme zielen somit am Problemkern vorbei.
Nimmersatte Begehrlichkeiten
Was sich tatsächlich als Konstante durch die Finanzgeschichte Österreichs zieht, sind strukturelle Unzulänglichkeiten im Staatshaushalt. Die wesentlichen Ausgabenposten: Verwaltung, soziale Sicherheit und Pensionen, Bundesbetriebe und Bundesbahnen, schließlich der Schuldendienst.
Reformen standen zwar in regelmäßigen Abständen zur Diskussion, der Politik fehlte es aber an Durchsetzungskraft (und zumeist auch am Willen) – sogar der bürgerlichen Regierung um Bundeskanzler Ignaz Seipel und Finanzminister Viktor Kienböck, in den Geschichtsbüchern auch wegen ihres harten Sanierungskurses in den 1920er-Jahren präsent.
Die Ordnung der nach dem Ersten Weltkrieg zerrütteten Staatsfinanzen gelang durch Währungsstabilisierung und Steuern, eine Steigerung der Ausgabeneffizienz scheiterte hingegen an den Beamtengewerkschaften, teilweise unterblieb sie aus Rücksicht auf die eigene bürgerlich-bäuerliche Klientel. Bald sollte sich dieses Versäumnis rächen. Die Weltwirtschaftskrise stürzte das Staatsbudget erneut ins Chaos.
Im Jahr 1931 analysierte die renommierte Wirtschaftszeitung „Der österreichische Volkswirt“:
(* 1979 in Graz) ist Historiker. Assistent am Institut für Wirtschafts-, Sozialund Unternehmensgeschichte der KarlFranzens-Universität Graz. Er ist auch wissenschaftlicher Mitarbeiter im OeNB-Forschungsprojekt „Fiskalpolitik und Staatsverschuldung in der sehr langen Frist am Beispiel Österreichs, 1811 bis 2012“. „In Österreich ist [. . .] eine ständige Progression der öffentlichen Ausgaben zu beobachten, beim Bund nicht minder als bei den nachgeordneten Gebietskörperschaften. Gewiss ist, wie ein Teil der Sozialaufwendungen vieles an der ununterbrochenen Vermehrung der Ausgaben zwangsläufig bedingt. Größere Schuld aber trägt die Verkennung der Möglichkeiten des kleinen Landes, die nimmersatte Begehrlichkeit der Parteien und die Nachgiebigkeit willfähriger Regierungen.“Würde man den zeitlichen Kontext dieses Zitats nicht kennen, man könnte es ebenso gut den Jahrzehnten der Zweiten Republik bis herauf in die jüngste Vergangenheit zuordnen.
Das Kalkül ist einfach: Ausgaben bringen Wählerstimmen. Auf Machterhalt (im Sinne ihrer Wiederwahl) bedachte Politiker fassten die finanzpolitisch heißen Eisen gar nicht erst an, zumal vieles auch auf gesetzlichen Verpflichtungen beruhte.
Reformen nur Stückwerk
Gab es doch Reformversuche, so blieben diese Stückwerk oder scheiterten am politischen Systems: an der eigenen Partei, am Koalitionspartner, an der Opposition, Interessenverbänden und an gesellschaftlichen Erwartungshaltungen. Selbst redlich bemühte Regierungsvertreter wie Josef Klaus (ÖVP) oder Ferdinand Lacina (SPÖ) mussten dies zur Kenntnis nehmen. Seine Zeit als Finanzminister (1961–63) beschreibt Klaus in seinen Memoiren eindrücklich. Nicht nur vom Gegenwind durch den Koalitionspartner SPÖ ist da die Rede, sondern von „einem Freundschaftsund Vertrauensbruch auch mit Ministern der Volkspartei“.
Am Beginn der 2000er-Jahre hat sich der Trend zumindest oberflächlich verändert. Plötzlich war das „Nulldefizit“populär. De facto gingen die Defizite vorübergehend zurück, von einem ausgeglichenen Budget blieb man aber deutlich entfernt. Ob nun die neue Regierung nachhaltig mit Traditionen brechen wird? Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt . . .