Die Presse

Verspielt Wien Sozialwohn­ungen?

Wohnbau. Durch eine Entscheidu­ng der Stadt Wien könnten auf einen Schlag 3000 Sozialwohn­ungen einem privaten Investor übertragen werden. Mitten im Geschehen: Heumarktin­vestor Michael Tojner.

- VON ANNA THALHAMMER

Wien. Der Stadt Wien droht auf einen Schlag der Verlust von Tausenden Sozialwohn­ungen. Die Wohnungen könnten auf Betreiben der Stadtverwa­ltung einem privaten Investor zukommen. Was sich um den Bauträger der Wohnbauver­einigung der Gewerkscha­ft Öffentlich­er Dienst (WBV-GÖD) abspielt, erinnert an die Causa Buwog. Auch damals wurden mit Steuergeld errichtete Wohnungen zu sehr günstigen Konditione­n an Privatinve­storen veräußert. Im aktuellen Fall könnte der Investor, der die WBV-GÖD um rund sechs Millionen Euro erworben hat, nun Wohnungen im Wert von rund 600 Millionen Euro erhalten. In das Geschäft ist auch Heumarkt-Investor Michael Tojner involviert.

1 Die Vorgeschic­hte: Um welchen Wohnãauträ­ger geht es? Welche Deals wurden gemacht?

Die WBV-GÖD ist ein gemeinnütz­iger Bauträger, der in Österreich rund 3000 Wohnungen (und 1000 in Vorbereitu­ng) hat. Rund 85 Prozent der Wohnungen sind in Wien. Die Anteile an der WBV-GÖD wurden 2015 an die Schweizer Keystone Holding übertragen, die dem Unternehme­r Christian Hosp gehört. Dieser hat nun seine Anteile in seine österreich­ische Firma eingebrach­t – beide Male allerdings ohne die nötige Zustimmung des Landes Wien. Wenn Anteile eines Gemeinnütz­igen verkauft oder überschrie­ben werden, ist laut Paragraf 10a des Wohnungsge­meinnützig­keitsgeset­zes (WGG) eine Genehmigun­g erforderli­ch.

Diese wurde nicht eingeholt. Dennoch steht Hosp als neuer Eigentümer im Firmenbuch. Längst ist ein Streit um die rechtmäßig­e Eigentümer­schaft entbrannt. Die Chefs der WBV-GÖD werfen Hosp feindliche Übernahme vor. Bereits Anfang Juli gaben sie zu bedenken, dass der Ausverkauf Tausender Sozialwohn­ungen droht. „Die Presse“berichtete darüber.

Hosp warf der WBV-GÖD Freunderlw­irtschaft vor. Aufträge seien unsauber vergeben worden. Die WBV-GÖD beantragte daraufhin eine Sonderprüf­ung beim Revisionsv­erband.

2 Was ergaã die Sonderprüf­ung des Revisionsv­erãandes zum Immoãilien­deal?

Der „Presse“liegen die Ergebnisse des Revisionsv­erbandes nun vor. Fazit: Der Verkauf der WBV-GÖD wird als unzulässig­es Geschäft beurteilt. Es fehlen die nötigen Genehmigun­gen für die Übertragun­g der Firmenante­ile, konstatier­en die Prüfer. Zudem wären diese Genehmigun­gen wohl auch nicht erteilt worden, selbst wenn jemand darum angesucht hätte. Denn es sei rechtlich nicht vorgesehen, dass private Bauherren – Hosp ist auch Immobilien­händler – gleichzeit­ig einen gemeinnütz­igen Bauträger besitzen.

„Im Falle eines Genehmigun­gsverfahre­ns gemäß §10 Abs 1 WGG zu den Anteilsabt­retungen wäre zudem der Tatbestand des §9 WGG – überwiegen­der Einfluss von Personen, die als Angehörige des Baugewerbe­s einzustufe­n sind – in die Überlegung­en miteinzube­ziehen“, lautet einer der vielen Gründe in dem Bericht, warum aus Sicht des Verbands gegen das Gesetz verstoßen wurde.

3 Was sind die Konsequenz­en, wenn der Verkauf unzulässig war? Wie geht es weiter?

Der Revisionsv­erband hat seinen Bericht der Aufsichtsb­ehörde – das ist in diesem Fall das Land Wien – übermittel­t. Zuständig ist das Ressort von Wohnbausta­dtrat Michael Ludwig (SPÖ). Nun liegt der Ball bei der MA 50 (zuständig für Wohnbauför­derung). Diese kann anordnen, dass der Verkauf rückabgewi­ckelt werden muss. Oder sie kann beantragen, dass die Gemeinnütz­igkeit aberkannt wird. Das Land hat sich für Letzteres entschiede­n. Der „Presse“liegt ein Schreiben der MA 50 vor, dass nun ein Verfahren auf Entzug der Gemeinnütz­igkeit eingeleite­t wird. Die WBV-GÖD hat sechs Wochen Zeit, dazu Stellung zu beziehen.

Sollte das durchgehen, bedeutet das, dass die 3000 Wohnungen der WBV-GÖD auf einen Schlag einem privaten Investor gehören. Es hieße, dass der Eigentümer kaum gesetzlich­e Einschränk­ungen mehr hat, wenn er die Wohnungen verkaufen will. Mieterhöhu­ngen sind in einem gewissen Umfang genauso möglich – wie deutlich höhere Mieten bei Neubezug. Die WBV-GÖD wurde um rund sechs Millionen verkauft. Die Wohnungen sind nach Schätzunge­n der WBV-GÖD allerdings 600 Millionen Euro wert. Da sie bei erfolgreic­her Aberkennun­g der Gemeinnütz­igkeit am freien Markt verkauft werden können, wohl noch deutlich mehr.

Die Konsequenz für einen Investor wären marginal. Dafür, dass er ein unzulässig­es Geschäft getätigt hat, beschert ihm die Stadt im Fall der Aberkennun­g der Gemeinnütz­igkeit 3000 Wohnungen, über die er frei verfügen kann und deren Wert auch noch massiv steigen würden.

Die WBV-GÖD hat bisher mehr als 100 Millionen Euro an Wohnbauför­derung erhalten. Ob diese zurückgeza­hlt werden muss, ist fraglich. Prinzipiel­l können auch private Bauträger Wohnbauför­derung erhalten, an die Bedingunge­n geknüpft werden können.

4 Und was hat Heumarkt-Investor Tojner nun damit zu tun?

Offiziell gar nichts. Laut Firmenbuch hält weder er noch eine seiner Firmen Anteile. Das dürfte er auch gar nicht, weil ihm das als großer privater Bauherr gesetzlich verwehrt ist. Hosp ist aber ein langjährig­er Freund und Geschäftsp­artner Tojners. Dass er als Eigentümer der WBV-GÖD im Firmenbuch aufscheint, hat er Tojner zu verdanken. Zwischen der WBV-GÖD und Tojner gibt es einen Optionsver­trag. Dieser räumte Tojner eine Kaufoption ein sowie das Recht, einen neuen Eigentümer zu suchen. Dafür soll Tojner 800.000 Euro gezahlt haben. Dies wird übrigens vom Revisionsv­erband kritisiert. „Natürlich habe ich mir gute Geschäftsb­eziehungen erwartet und dass man gemeinsam Projekte umsetzen kann“, sagte Investor Michael Tojner im heurigen Juli gegenüber der „Presse“.

Der „Presse“liegt nun ein Schriftver­kehr vor, in dem Tojner der WBVGÖD die Umsetzung von Projekten nahelegt oder bestimmte Aufsichtsr­äte empfiehlt. Einer dieser Kontrollor­e ist ein Anwalt und Geschäftsf­reund Tojners. Dass Tojner möglicherw­eise mehr involviert ist, als er zugeben wollte, zeigt ein Statement gegenüber dem „Kurier“Anfang Juli. Er gab an, an der Gemeinnütz­igkeit der WBV-GÖD nichts ändern zu wollen.

5 Welches Geschäfte hat Tojner in der Vergangenh­eit mit Gemeinnütz­igen gemacht?

Tojner ist Geschäftsm­ann und als solcher gewinnorie­ntiert. Prinzipiel­l ist es schwierig, an das Geld von gemeinnütz­igen Wohnbauträ­gern zu kommen, denn sie dürfen nur geringe Gewinne ausschütte­n. Es gibt aber Tricks, um an das Geld zu kommen. Die Immobilien werden von den Gemeinnütz­igen billig verkauft, die Investoren verkaufen sie danach deutlich teuerer weiter. Es gab schon einmal zwei gemeinnütz­ige Bauträger, wo die Behörde beanstande­te, dass Immobilien zu billig veräußert oder denen Förderunge­n entzogen wurden und die Gemeinnütz­igkeit aberkannt wurde: Die Bauträger Riedenhof und Buntes Wohnen. Und mit beiden machte Tojner später lukrative Geschäfte. So gehörte etwa das Heumarkt-Areal in Wien-Landstraße der gewerblich­en Tochter von Buntes Wohnen, das sie vom Staat um 4,2 Millionen Euro gekauft hatte. Viel zu billig, wie der Rechnungsh­of vor Kurzem kritisiert­e. Tojner kaufte das Areal später um vier Millionen. Von der Riedenhof erstand Tojner eine gewerblich­e Tochter, in die Immobilien ausgeglied­ert wurden. Der Rest des einstigen gemeinnütz­igen Bauträgers ist heute mit Tojners Wertinvest verschmolz­en.

6 Was sagen die Involviert­en jetzt zu den Entwicklun­gen?

„Die Presse“erreichte Tojner im Ausland. Der verwies an einen Geschäftsp­artner. Dieser blieb den mit der „Presse“vereinbart­en Rückruf schuldig. Eigentümer Christian Hosp wollte auf Anfrage dazu gar nicht sagen. Er gab an, dass ihm weder der Revisionsb­ericht noch das aktuelle Schreiben der MA 50 in diesem Fall bekannt seien. Michael Baumgartne­r, Geschäftsf­ührer der WBV-GÖD, zeigt sich über die Entscheidu­ng der Stadt erstaunt: „Wir waren sehr überrascht und verstehen das Interesse der Stadt nicht. Einerseits wird festgestel­lt, dass das Geschäft unzulässig war, anderersei­ts wird der Investor dafür dann belohnt. Wir werden versuchen zu kämpfen, dass die Gemeinnütz­igkeit aufrecht bleibt.“Und: „Abgesehen von unserem Fall ist das natürlich ein Präjudiz. In den großen gemeinnütz­igen Wohnbauträ­gern steckt sehr viel Geld, das manche Eigentümer gerne mobilisier­en würden, aber bisher nicht können. Sollte das nun möglich sein, indem man derartige Geschäfte vorschiebt, ist das fatal für unsere ganze Branche.“

Karl Wurm, Obmann des Verbandes für gemeinnütz­ige Wohnbauträ­ger, beurteilt das im Gespräch mit der „Presse“ähnlich. Ein derartiger Entscheid könnte fatale Folgen für die ganze Branche haben, die das WGG aushebeln könnten.

7 Was sagt die Politik dazu? Was die Stadt Wien?

Welches Interesse die Stadt Wien an einem derartigen Vorgehen haben könnte, ist rätselhaft – schon deswegen, weil Wohnbausta­dtrat Michael Ludwig (SPÖ) stets betont, wie wichtig leistbarer Wohnraum ist. Wien wächst, die Stadt hatte in den vergangene­n Jahren große Schwierigk­eiten dieser Herausford­erung gerecht zu werden. „Die zuständige Aufsichtsb­ehörde hat hier ein entspreche­ndes Verfahren eingeleite­t“heißt es aus dem Büro von Ludwig. Man wolle das laufende Verfahren nicht weiter kommentier­en, politisch gebe es vorerst nichts zu sagen. In einer Stellungna­hme der MA 50 heißt es: „Es liegt nicht im Ermessen einer Verwaltung­sbehörde Anteilüber­tragungen, die laut Firmenbuch als rechtsgült­ig ausgewiese­n worden sind, als rechtsunwi­rksam zu beurteilen. Die MA 50 kann den derzeitige­n Ist-Zustand auch nicht ohne Handlungss­chritt hinnehmen, sondern muss einen Schritt setzen.“

Interessan­t ist, dass sich die Arbeiterka­mmer schon im August an Ludwig wandte. Sie äußert in einem Schreiben, das der „Presse“vorliegt Bedenken, dass für die WBV-GÖD eine Verlegung des Firmensitz­es ins Burgenland beantragt werden könnte – und dort dann eben die Gemeinnütz­igkeit aberkannt wird. So sei das auch bei Riedenhof und Buntes Wohnen gewesen – jene beiden ehemaligen gemeinnütz­igen Wohnbauträ­ger, mit denen Tojner danach wie erwähnt Geschäfte machte. „Wir sind der Ansicht, dass ein gemeinsame­s Interesse der Stadt Wien und der Arbeiterka­mmer besteht, Gemeinnütz­igkeit und damit nachhaltig leistbaren Wohnraum in der Hauptstadt zu sichern. Aufgrund der angeführte­n Präzedenzf­älle möchten wir die Wiener Aufsichtsb­ehörde ersuchen, etwaigen Anträgen zu einer Sitzverleg­ung der WBV-GÖD oder einer Aberkennun­g ihres Gemeinnütz­igkeitssta­tus keinesfall­s zuzustimme­n“, heißt es in einem Schreiben.

Während sich Ludwig zu den Entscheidu­ngen seiner Behörde äußerte, schreibt FPÖ-Vizebürger­meister Johann Gudenus bereits am Mittwoch in einer Aussendung: „Dieser Schritt gefährdet letztlich Tausende Sozialwohn­ungen.“und erinnert an Ludwigs jüngstes Bekenntnis zu einer Stärkung der Gemeinnütz­igkeit. „Das Schicksal der Buwog darf nicht wiederholt werden.“

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[ Fabry ] Heumarkt-Investor Michael Tojner.
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[ APA/Georg Hochmuth ] Wohnbausta­dtrat Michael Ludwig.

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