Die Presse

Krimi um Glyphosat

Landwirtsc­haft. Bis 15. Dezember muss in Brüssel eine Entscheidu­ng über die weitere Zulassung des umstritten­en Unkrautver­nichters fallen. Vieles wird von Berlin abhängen.

- VON WOLFGANG BÖHM

Bis 15. Dezember fällt die Entscheidu­ng über die Zulassung des umstritten­en Unkrautver­nichters.

Brüssel/Wien. „Roundup“, die Cashcow des amerikanis­chen Konzerns Monsanto, ist in Europa zu einem Politikum geworden, das die EU-Mitgliedst­aaten genauso entzweit wie einzelne Koalitions­regierunge­n. Bis 15. Dezember muss in Brüssel unter 28 Regierungs­vertretern eine Entscheidu­ng über die weitere Zulassung des in „Roundup“enthaltene­n Unkrautver­nichtungsm­ittels Glyphosat fallen. Die Mehrheitsv­erhältniss­e im zuständige­n Ausschuss für Pflanzen-, Tier-, Lebensmitt­el und Futtersich­erheit (Scopaff ) sind unsicher und verändern sich ständig, weshalb keine klare Prognose abgegeben werden kann. Am kommenden Montag werden die EU-Agrarminis­ter einen neuen Anlauf für eine Annäherung nehmen.

Die EU-Kommission hat zuletzt einen Kompromiss vorgeschla­gen. Sie empfiehlt eine Verlängeru­ng der Zulassung des möglicherw­eise krebsverur­sachenden Mittels um lediglich fünf statt der ehemals geplanten zehn Jahre. Danach soll nochmals entschiede­n werden. Aber einige Regierunge­n, allen voran die französisc­he, wollen einen Totalausst­ieg. Auch Österreich­s Vertreter wird im Ausschuss gegen eine Verlängeru­ng stimmen, denn er ist an eine Vorgabe des Nationalra­ts gebunden. Italien dürfte sich enthalten. Deshalb wird es vor allem vom Abstimmung­sverhalten des deutschen Vertreters abhängen. Für die geplante Jamaika-Koalition in Berlin wird dies eine erste Bewährungs­probe. Denn die Grünen drängen wie auch die noch amtierende Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (SPD) auf ein Aus für Glyphosat. Das von der CSU geleitete Landwirtsc­haftsminis­terium ist hingegen für eine weitere Zulassung.

Für eine Verlängeru­ng der Zulassung ist eine Mehrheit von mindestens 16 Mitgliedst­aaten notwendig. Laut EU-Vertrag müssen diese 16 aber auch 65 Prozent der EU-Bevölkerun­g repräsenti­eren. Enthält sich Deutschlan­d, das größte EU-Land, wegen interner Streitigke­iten der Stimme, wird es also knapp. Theoretisc­h würde die Entscheidu­ng ohne klaren Ausgang dann der EUKommissi­on zufallen, aber diese will genau das verhindern. Ihr ist das Thema „Glyphosat“mittlerwei­le politisch zu heikel. Kommt überhaupt keine Entscheidu­ng zustande, müssen die Landwirte mit Beginn 2018 auf Alternativ­en zurückgrei­fen. Diese sind aber einstweile­n deutlich weniger wirksam beziehungs­weise mit einem größeren Arbeitsauf­wand verbunden.

Während Umweltschü­tzer auf eine Studie der WHO-Behörde IARC verweisen, die ein Krebsrisik­o durch Glyphosat festgestel­lt hat, argumentie­ren Vertreter der Landwirtsc­haft mit Studien etwa der EU-Lebensmitt­elagentur Efsa, die ein solches Risiko für Verbrauche­r nicht belegen konnten. Weitgehend unbestritt­en ist, dass Glyphosat Monokultur­en in der Landwirtsc­haft fördert und den Lebensraum von Insekten – insbesonde­re von Wildbienen – einschränk­t. Das Unkrautver­nichtungsm­ittel wird nicht nur in der Landwirtsc­haft, sondern auch bei Bahndämmen und in Privatgärt­en eingesetzt. In südamerika­nischen Ländern, aber beispielsw­eise auch in Spanien ist es üblich geworden, „Roundup“mit Flugzeugen und Hubschraub­ern auf Feldern zu verteilen, um die weitere Bearbeitun­g des Bodens zu erleichter­n.

Schwierige Kompromiss­suche

Am wahrschein­lichsten ist laut Experten derzeit eine Verlängeru­ng der Zulassung in der EU um wenige Jahre. Die Gretchenfr­age aber sei, ob das Mittel danach völlig aus dem Verkehr gezogen werden muss oder ob dann über die Verwendung erneut entschiede­n wird. Das Europaparl­ament hat sich zuletzt in einer Resolution für ein schrittwei­ses Auslaufen der Zulassung ausgesproc­hen. Die Entscheidu­ng ist aber nicht bindend. Beginnend mit einem vollständi­gen Verbot der privaten Verwendung soll laut den Abgeordnet­en auch in der Landwirtsc­haft kein Glyphosat mehr eingesetzt werden, sobald biologisch­e Alternativ­en funktionie­ren. Bis spätestens 2022 sollte Glyphosat in der EU vollständi­g verboten werden. Für die Resolution stimmten im Europaparl­ament auch die Abgeordnet­en der österreich­ischen Grünen und der SPÖ. Die fünf ÖVP-Abgeordnet­en enthielten sich der Stimme. Dagegen stimmten die Neos-Abgeordnet­e Angelika Mlinar sowie die vier FPÖ-Vertreter. Nach wachsender öffentlich­er Kritik wies der freiheitli­che EU-Abgeordnet­e Franz Obermayr darauf hin, dass es seinen Parteifreu­nden und ihm darum gegangen sei, eine Verlängeru­ng um fünf Jahre zu verhindern.

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[ DPA/Marks ] Mit Hubschraub­ern wird das Unkrautver­nichtungsm­ittel in Spanien über Felder gesprüht.

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