Die Presse

Gabriel zerpflückt SPD-Wahlkampf

Abrechnung. Ex-Parteichef beklagt Ausreden und Umgang mit Zuwanderun­gsthema.

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Berlin. Sigmar Gabriel hält mit seiner Meinung selten hinter dem Berg. Das war auch im Wahlkampf so, als der umtriebige Außenminis­ter Spitzenkan­didat Martin Schulz bisweilen die Show stahl. Zum schlechtes­ten SPD-Ergebnis der Nachkriegs­geschichte – 20,5 Prozent – schwieg Gabriel jedoch lang. Umso heftiger fiel nun seine Abrechnung mit der SPDWahlkam­pfführung aus.

In einem Interview mit „Der Zeit“kritisiert­e Gabriel, dass die SPD das Thema Zuwanderun­g im Wahlkampf nicht offen angesproch­en habe – „aus panischer Angst“, damit der AfD zu nutzen. Selbst nach der Wahlpleite trauten sich „große Teile der SPD nicht, offen über das Thema zu sprechen“, so Gabriel. Stattdesse­n würden „irgendwelc­he Nebensächl­ichkeiten“diskutiert. Zuvor hatte bereits Hamburgs Bürgermeis­ter, Olaf Scholz, die SPD davor gewarnt, nach der Wahlpleite Ausflüchte zu suchen.

Wie Scholz arbeitet sich auch Gabriel an der Fixierung auf das Thema soziale Gerechtigk­eit ab, zumal die SPD 16 der vergangene­n 20 Jahre an der Regierung gewesen sei. Gabriel moniert, dass die SPD immer noch mit Gerhard Schröders Agenda-2010-Reformen hadere. Die Wähler schauten aber in die Zukunft: „Ihre Fragen nach Sicher- heit und der Bewältigun­g der Digitalisi­erung sowie die Zerrissenh­eit vieler Menschen in der Flüchtling­sfrage sind von uns nicht mit einem optimistis­chen Zukunftsen­twurf beantworte­t worden.“

Gabriel verzichtet­e im Jänner zugunsten von Schulz auf die Spitzenkan­didatur. Aus Sicht einiger Genossen war das zu spät. „Eine Ausrede“, nennt das Gabriel nun. Stattdesse­n sei der Wechsel zu früh erfolgt. Für die SPD unter Schulz ging es in Umfragen steil bergauf und dann monatelang bergab. Gabriel verzichtet zugleich auf Kritik an seinem „Freund“Schulz, der sich im Dezember der Wiederwahl als Parteichef stellt. (strei)

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