Neue US-Geschütze gegen Moskau
Sanktionen. Russische Waffen und Öl stehen am Beginn des neuen US-Sanktionsreigens. Die Isolierung soll auch Europa treffen. Eine besondere Bombe droht auf dem Kapitalmarkt.
Wien. Sie kam knapp einen Monat später als geplant. Aber sie kam. Am vorigen Donnerstag hat das US-Außenministerium die neue Sanktionsliste gegen Russland vorgelegt. 33 Unternehmen finden sich darauf, die meisten aus dem Rüstungssektor, die nun Einschränkungen bei der Kreditvergabe erfahren. Dazu sechs Geheimdienstorganisationen.
Das State Department erfüllt damit die gesetzliche Vorgabe, die am 2. August unter dem Namen CAATS (Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act) von Präsident Donald Trump unterzeichnet worden war. Am 29. Jänner tritt sie in Kraft. Und eine neue Ära der Handelshemmnisse beginnt.
Die Liste ist nur der erste Schritt, um den CAATS-Akt umzusetzen. Der zweite folgte wenige Tage später und betrifft den Ölsektor, der ja bereits sanktioniert war. Waren USBürgern bisher aber nur Kooperationen und Investitionen in russische Offshore-Ölprojekte untersagt, so nun auch in ausländische Projekte, sofern sanktionierte russische Betriebe an ihnen mehr als 33 Prozent halten. Betroffen davon sind Projekte etwa in Norwegen oder in Mexiko und damit möglicherweise auch solche der OMV, die in Norwegen Assets an Gazprom verkaufen möchte.
Schlag gegen Europa?
Moskau reagiert mit Kopfschütteln. Aber die Verunsicherung in der Wirtschaft ist doch da. Und zwar auch bei der europäischen. So hat die Deutsch-Russische Außenhandelskammer (AHK) im September erhoben, dass von 193 befragten deutschen Firmen, die in Russland tätig sind, 97 Prozent die neuen USSanktionen nicht nur negativ beurteilen, sondern als bedrohlicher einstufen als die alten, die 2014 erlassen worden waren. Das kommt nicht von ungefähr. Schließlich sehen die neuen US-Sanktionen vor, dass nicht nur die sanktionierten russischen Konzerne mit Strafmaßnahmen bedroht werden, sondern auch ihre internationalen Handelspartner, so sie substanzielle Geschäfte mit den Russen betreiben und gleichzeitig welche in den USA haben. Im CAATS-Plan sind auch der Eisenbahn-, Transport-, Metallurgie- und Bergbausektor genannt.
Von zentralem Interesse aber sind die Ölund Gasbranche – und dezidiert auch der Bau von Exportpipelines. Am konkretesten betrifft das den Ausbau der Ostseepipeline Nord Stream, mit dem der russische Gasexport über diese Route nach Deutschland und weiter in andere europäische Staaten verdoppelt werden soll. „Wir denken, dass diese Behinderungsmaßnahmen in erster Linie dazu da sind, Konkurrenz zu verhindern“, empörte sich kürzlich Russlands Energieminister, Alexander Nowak, im Interview mit der „Presse“: Die Sanktionen „sind nicht gegen Russland, sondern gegen Europa gerichtet“.
Eine „toxische Zone“
Noch direkter wurde im September Rainer Seele, AHK-Präsident und Chef der OMV, die gemeinsam mit anderen europäischen Partnern die Pipeline bauen will und bereits neue Finanzierungsvarianten sucht: „Nord Stream soll auf halber Strecke verhindert werden, damit die Europäer teureres amerikanisches Flüssiggas kaufen müssen“, so Seele.
Das Hauptziel von CAATS ist in der Tat unverkennbar: Russische Konzerne sollen von ihren westlichen Partnern abgeschnitten werden – unter anderem, um den Transfer von Hochtechnologie zu verhindern. Von „Kreisen russischer Toxizität“schreibt daher die Zeitung „Wedomosti“: Die neuen Sanktionen „schaffen rund um Russland eine potenziell riesige toxische Zone und erhöhen für Ausländer deutlich das Risiko, mit russischen Firmen, die in die internationale Wirtschaftswelt eingebunden sind, zu arbeiten“.
„Atombombe auf dem Finanzmarkt“
Das Gift der Angst schwebt jedenfalls in der Luft wie ein Damoklesschwert. Auch über dem Kapitalmarkt. Gebannt blicken Finanzinvestoren über den Atlantik, ob die USA sich zum angedrohten Verbot auf Investitionen in russische Staatsanleihen durchringen werden. Die Prüfung dieser Möglichkeit wurde ja ebenfalls im CAATS-Akt genannt. Der nötige Bericht an den Senat steht noch aus.
Ein Verbot wäre allein schon deshalb katastrophal, weil viele Ausländer heuer die hoch rentierenden russischen Anleihen gekauft haben. „Es wäre wie eine Atombombe für den Finanzmarkt, zumal unklar ist, wie Russland darauf reagieren würde“, so Vjatscheslav Smoljaninov, stellvertretender Chefanalyst der Investmentbank BCS Global Markets, im Gespräch mit der „Presse“. Russische Medien haben in der Vorwoche bereits berichtet, dass die Regierung für den Fall des Falles strenge Kapitalbeschränkungen plane, die alle Investoren in Russland beträfen. Das Wirtschaftsministerium dementierte kurz darauf zwar. Aber ohne Antwort wird Russland die US-Aktionen gewiss nicht belassen.