Wenn der wahre Sir die Prinzessin kriegt
Kia. Von der wundersamen Magie von E-Autos im Allgemeinen und Kias hybriden Kombi im Speziellen.
Männer sind easy. Man muss ihnen nur die richtige Karotte vor die Nase hängen, dann tun sie Dinge, die sie zuvor für absurd gehalten hätten. Etwa mit einem Auto, einem noch dazu kräftigen, wie auf rohen Eiern beschleunigen, dezent gleiten und generell wie ein Sir fahren.
Schuld sind die modernen Elektro- und Hybridmotoren. Da kann man noch so über Klimawandelpaniker und Dieselverstörte lachen, die Sache ist so: Sobald man ein (zum Teil) strombetriebenes Auto lenkt, ändert sich das Fahrverhalten. Die Dinger stellen nämlich Verbrauchswerte und Antriebsdynamik so cool computerspielhaft dar, dass es nicht mehr darum geht, viele Punkte zu sammeln: Die Prinzessin kriegt, wer möglichst wenige Liter pro Kilometer verheizt bzw. Kilowatts zu möglichst großer Reichweite auswalzt.
Einer der offensivsten Stromakteure ist Kia: der 1944 in Seoul unter anderem Namen gegründete Konzern, der Metallrohre und Fahrradteile baute, seit den 1970ern Lkw und Pkw. 2016 hat Kia aus dem seit 2000 fahrenden Magentis (in Europa seit 2011/2012 Optima), einer lang etwas trägen Limousine, einen Kombi (SW) namens Optima Sportswagon gestrickt und diesen Sommer einen Hybrid herausgebracht. Dem fast fünf Meter langen, ja länger wirkenden Schlitten mit den französischen Linien, in dem man gern und wohlgedämpft fährt, hat man 130 Kilogramm schwere Batterien und einen E-Motor als Alliierten eines 156-PS-Ottomotors verpasst. Der E-Motor hat 68 PS und kommt, falls nur er läuft, pro Akkuladung auf gut 60 Kilometer. Der Sinn des Schinakels, das einen entspannt empfängt, sauber verarbeitet ist, kaum Bling-Bling hat, dafür im Fondfußbereich Platz für ’ne Kiste Bier, ohne dass der Vordersitz vorgerückt wird, ist: Man fährt erst primär mit Strom. Benzin-Otto schaltet sich nur ein, wenn man tüchtig Gas gibt. Das reicht für die meisten Alltagsfahrten. Die ersten 180 Kilometer, als wir meist stromlastig fuhren, ergaben einen Benzinkonsum von 2,4 Litern/100 km (laut Kia sollten es 1,4 l sein). Als sich Laden danach oft nicht ausging, wurden es vier Liter. Manch Tester meldete 5,5 l bei purem Spritbetrieb.
Sauteuer erkauftes Gutgefühl
Ist der Akku zu 86 bis 90 Prozent leer, tritt Otto in Aktion. Sein E-Freund liefert Zusatzleistung und übernimmt kurzzeitig ganz in Situationen wie Losfahren, Rangieren und beim Halten mittlerer Geschwindigkeit auf Schnellstraßen. Die Kostenrechnung ist letztlich schwierig: Gemessen am Stromtarif des Testers kostet eine Akkuladung gut 1,75 Euro, das sind pro 100 Kilometer 2,90 Euro. Angesichts der Kia-Verbrauchsangaben wären es nur 1,90 € auf 100 km, aber ohne Benzinhilfe.
Lassen wir das Erbsenzählen. Der Wagen ist wirklich fein, etwas schwerfällig (leer fast 1,8 Tonnen), mag harte Kurvenfahrt ungern, bietet aber genug Raum, Luxus und Stille für Sirs, dazu den Eindruck, dass der Tank nicht und nicht leerer wird: Nach 642 km Testfahrt war noch Benzin für 409 km da! Doch es ist halt so: Um mindestens 10.000 Euro weniger gibt’s eine fast ident ausgestattete, von der Leistung ähnliche Optima-SWVariante mit orthodoxem Motor. Das Gutgefühl, dass man politisch korrekt herumfährt, ist sauteuer erkauft. Übrigens waren die Bremsen schlecht.