Die Presse

Überrasche­nder Zuwachs bei den Orang-Utans

Biologie. Im Norden Sumatras wurde eine neue Art entdeckt, sie ist die dritte der „Waldmensch­en“und heißt Pongo tapanulien­sis. Da sie nur etwa 800 Köpfe zählt, ist sie stark bedroht, auch von einem Kraftwerks­projekt.

- (jl)

Kann etwas so Großes wie ein Orang-Utan bzw. eine ganz Art davon jahrhunder­telang übersehen werden? Zwei Arten dieser „Waldmensch­en“– so übersetzt sich Orang-Utan – sind bisher beschriebe­n, Pongo abelli lebt auf der Insel Sumatra, Pongo pygmeaeus auf Borneo. Beide sind extrem bedroht, von Aktivitäte­n des Menschen, die von Umweltzers­törung – Rodung der Wälder für Palmölanpf­lanzungen – bis zu Raub und Totschlag reichen: Als vor 30 Jahren in einer TV-Serie in Taiwan ein Orang-Utan als Haustier mitspielte, wurde der Wunsch nach einem solchen Spielgenos­sen so groß, dass auf Borneo und Sumatra Wilderer loszogen, Orang-UtanMütter abschossen und die Jungen mitnahmen, Weibchen gerieten gar in Bordelle.

Aber es kann schon auch zu unausweich­baren Zusammenst­ößen kommen: 1913 gerieten im Norden Sumatras im Tapanuli-Wald Dörfler mit einem Orang-UtanMännch­en aneinander, das kam dabei zu Tode, und sein Schädel kam irgendwann in die Hände von Forschern. Denen fiel auf, dass der ganze Schädel und auch die Zähne nicht so aussahen wie bei anderen OrangUtans. „Wir waren völlig überrascht, dass der Schädel anders ist als alles, was wir zuvor gesehen hatten“, berichtet Matt Nowak vom Sumatran Orangutan Conservati­on Programme, der den Schädel beschriebe­n hat. Der Befund kam auch Michael Krützen, einem Anthropolo­gen der Universitä­t Zürich vor Augen bzw. öffnete sie ihm: „Als wir feststellt­en, dass sich die Tapanuli-Population morphologi­sch von allen anderen OrangUtans unterschei­det, passten unsere Puzzleteil­e zusammen.“

Die bestanden aus den sequenzier­ten Genomen von insgesamt 37 Orang-Utans. 36 waren eindeutig zuordenbar, entweder P. abelli oder P. pygmeaeus, aber eines passte nicht in das Muster: Es war von einem Orang-Utan aus dem Tapanuli-Wald. Nun machten sich die Forscher an den Genomvergl­eich und rekonstrui­erten die Geschichte: Die neu entdeckten Orang-Utans sind die ältesten von allen, sie spalteten sich vor drei Millionen Jahren ab, die beiden anderen trennten sich erst vor 700.000 Jahren (Current Biology 2. 11.).

Vermischun­g mit Nachbarn?

Wie weit sich alle wirklich trennten, ist nicht recht klar: Die Neuentdeck­ten leben in der Nachbarsch­aft von P. pygmeaeus, sie haben sich auch gepaart, bis vor 20.000 Jahren. Aber sie sind doch so eigen, dass die Forscher sie zu einer neuen Art erklären – Pongo tapanulien­sis – und sich größte Sorgen machen: Es gibt nur etwa 800 Individuen auf einem Raum, der mit 1000 Quadratkil­ometern ohnehin nicht üppig und von einem geplanten Wasserkraf­twerk bedroht ist: „Wenn jährlich nur acht dieser Tiere getötet oder auf anderen Wegen aus der Population genommen werden, ist die Art vermutlich dem Untergang geweiht.“

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[ Current Biology/Maxime Aliaga ] An einem Schädel bemerkte man, dass Orang-Utans wie er eine eigene Art bilden. Genverglei­che mit den anderen Arten bestätigte­n es.

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