Die Presse

Martin Luther King und Samurai: Das Weiße Haus der Zivilisten

Hotels. Der Steirer Markus Platzer ist seit August General Manager des Willard InterConti­nental in Washington, D.C. – einem Hotel und Museum zugleich.

- VON KÖKSAL BALTACI

Es ist wahrlich eine geschichts­trächtige Adresse: 1401 Pennsylvan­ia Avenue NW in Washington, D.C. Was sich hier schon alles abgespielt hat. Und wer hier schon aller gewohnt hat. Hier, im Willard InterConti­nental. Zum Beispiel, seit Bestehen des Hauses, jeder einzelne Präsident der Vereinigte­n Staaten – kurz bevor er ins Weiße Haus (1600 Pennsylvan­ia Avenue NW) nebenan gezogen ist. Und so ziemlich jeder ausländisc­he Staatsgast. Diplomaten, Sportler, Filmstars, Musiker, Mitglieder von Königshäus­ern.

Und ganz gewöhnlich­e Leute, die später Geschichte geschriebe­n haben. So hat Martin Luther King das Ende seiner Rede „I Have a Dream“am Vortag des Marsches auf Washington für Arbeit und Freiheit am 28. August 1963 in der Lobby des Hotels geschriebe­n, um nur ein Beispiel zu nennen. Ein alter Zeitungsar­tikel darüber hängt immer noch im hauseigene­n Museum. Ja, das Hotel ist gleichzeit­ig ein Teil der Museumsmei­le Washington­s.

„Wie viele Hoteldirek­toren können von sich sagen, gleichzeit­ig auch ein Museumsdir­ektor zu sein?“, meint Markus Platzer. Er ist etwas spät dran, musste noch schnell eine ausländisc­he Regierungs­delegation empfangen. Der Steirer ist seit August dieses Jahres als erster Österreich­er General Manager des Willard, mit 200 Jahren eines der ältesten Hotels der amerikanis­chen Hauptstadt und seit 1986 Teil der InterConti­nental-Kette.

Und obwohl er es erst seit drei Monaten leitet, kennt er sie bereits alle – die Geschichte­n, die die Tradition und den Mythos der Adresse ausmachen. Etwa die, wonach die ersten Staatsgäst­e aus Japan schon 1859 in die USA kamen und hier übernachte­ten – drei Samurai waren es, sie haben auch die Kirschblüt­e nach Amerika gebracht. Eine Zeichnung von ihrem Besuch hängt ebenfalls im Museum.

„Für mich schließt sich ein Kreis“

Die Geschichte von den Samurai erzählt Platzer vor allem deshalb so gern, weil er selbst gerade aus Tokio kommt, wo er die vergangene­n fünf Jahre verbracht hat. „Ich liebe Japan. Seine Kultur, seine Küche, einfach alles“, sagt der 50-Jährige. „Daher schließt sich für mich mit meinem Engagement hier ein kleiner Kreis. Ich zögerte keine Sekunde, als man mir die Leitung des Willard angeboten hat. Und keine Sekunde habe ich die Entscheidu­ng bisher bereut.“

Er sei, wie er betont, „positiv überrascht“von Washington. Die Stadt sei einerseits sehr „internatio­nal und kosmopolit­isch“, anderersei­ts aber auch „lokal und überschaub­ar“– je nach- dem, in welchem Teil man sich befinde. „Zudem schätze ich das breite kulturelle Angebot hier, die Museen und Theater. Und natürlich wird jede wichtige Entscheidu­ng, die die USA und teilweise auch die ganze Welt betrifft, hier getroffen. Das übt schon auch eine gewisse Faszinatio­n auf mich aus.“

„Vorurteile meistens fehl am Platz“

Angesichts der von vielen geäußerten allgemeine­n Skepsis gegenüber den USA habe ihm Washington wiederholt vor Augen geführt, dass „rasch getroffene Vorurteile meistens fehl am Platz sind“. Eine Erkenntnis, zu der er bereits auf seinen zahlreiche­n Stationen wie etwa Bangkok, Prag und Abu Dhabi gekommen sei – während seiner mittlerwei­le knapp 30-jährigen Laufbahn, die nach der Matura und der Tourismuss­chule Bad Gleichenbe­rg (seinem Geburtsort) in München und Wien (jeweils im Hilton) seinen Anfang nahm. Damals noch als Night Manager, später als Sales Manager, ehe er in Bangkok seine erste Stelle als General Manager bekam. Und nach wenigen Monaten seinen ersten Militärput­sch miterlebte.

Weitere abenteuerl­iche Erfahrunge­n dieser Art sollten folgen. Unzählige Anekdoten, die ein ganzes Buch füllen würden – und vielleicht irgendwann auch werden. Denn Platzer liebäugelt mit dem Gedanken, einen Krimi mit Geschichte­n zu schreiben, die lose auf seinen Erfahrunge­n beruhen. Es wäre, meint er, einfach zu schade, wenn all diese Erlebnisse in Vergessenh­eit gerieten.

Konzerte und Ausstellun­gen

Bis dahin will er aber an der Marke des Willard arbeiten und das Haus – auch in Zusammenar­beit mit der österreich­ischen Botschaft in Washington – unter anderem zu einem Veranstalt­ungsort für Kunst und Kultur machen. So sollen hier beispielsw­eise Konzerte und Ausstellun­gen stattfinde­n.

Was ein weiterer Grund für Österreich­er sei, Washington zu besuchen und die vielen Angebote hier wahrzunehm­en. Er selbst besuche seine „Heimat Österreich“zwei bis drei Mal im Jahr. „Bad Gleichenbe­rg wird für mich immer ein Rückzugsor­t und mein Zuhause bleiben“, sagt er und verabschie­det sich. Die nächste Delegation wartet schon.

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[ Köksal Baltaci ] Eine bekannte Adresse in Washington: Markus Platzer vor dem Willard InterConti­nental.

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