Die Presse

Der Drang in die illiberale Ecke wird Österreich schaden

Wie in den USA der Ausgang der Parlaments­wahl in Österreich gesehen wird.

- VON ANDREW KIERIG Andrew Kierig ist wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r an den Instituten für Politikwis­senschaft und für Internatio­nale Studien der Universitä­t Oklahoma.

Ich kann mich noch erinnern, als ich im Wartezimme­r eines Arztes saß und das Titelbild des Nachrichte­nmagazins „Newsweek“sah: „Thunder on the Right!“, mit einem Bild von Jörg Haider. „Soll Europa sich vor diesem Mann fürchten?“, fragte „Newsweek“die Leser. Ich war damals elf Jahre alt – und so fing mein Interesse an der österreich­ischen Politik sowie Geschichte an.

2013 unterstütz­te ich das BZÖ, um Josef Bucher und seiner „modernen Mitte“zurück ins Parlament zu helfen. Leider waren wir nicht erfolgreic­h. Am Sonntag stand ich gleich nach 9.45 Uhr Ortszeit in Oklahoma auf, um den Livestream des ORF einzuschal­ten, für die erste Hochrechnu­ng. Wohin also wird Österreich nach diesem „Schmutzküb­elwahlkamp­f“gehen?

Wenn Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache in einer Koalition zusammenfi­nden, bekommen die Österreich­er einen Freund der ungarische­n Regierung, die Antisemiti­smus gegen George Soros betreibt, einen der erfolgreic­hsten lebenden Ungarn. Österreich bekommt einen Kanzler, der keinen eigenen Plan hat, sondern von der FPÖ abschreibt. Und Österreich bekommt eine FPÖ, die nur nach rechts abbiegen kann.

Kein Wissen über Österreich

Wie wurde die Nationalra­tswahl in den USA gesehen? Ich arbeite an einer Universitä­t, die für ihre internatio­nalen Kooperatio­nen bekannt ist. Wir haben viele Jahre eine Partnersch­aft mit der Uni Graz, und ich freue mich immer, wenn ich österreich­ische Studierend­e kennenlern­e. Aber wenn sie einen amerikanis­chen Studierend­en fragen: „Was weißt du über Österreich?“, ist die Antwort immer dieselbe: „Hitler. Nazideutsc­hland. Sound of Music.“Vielleicht noch etwas zu Mozart.

Meine besser informiert­en amerikanis­chen Freunde haben mich gefragt, wer Sebastian Kurz ist. „Wie kann ein 31-Jähriger an die Spitze einer Partei kommen und dann eine Wahl gewinnen?“

Mit Strache an seiner Seite wird er keinen verlässlic­hen Partner haben. Und es ist schwer, sich vorzustell­en, dass Kurz und Strache langfristi­g eine stabile Regierung bilden können.

Wie Trump, ohne Atomwaffen

Sebastian Kurz, 31, ohne abgeschlos­senes Studium, aber mit dem Geilomobil unterwegs. Ohne Erfahrung wird er nicht als seriös wahrgenomm­en werden: wie Donald Trump, aber ohne Atomwaffen.

Österreich drängt sich jetzt in einer Ecke mit den illiberale­n Ungarn und Polen, wo es keinen Einfluss auf europäisch­er Ebene haben wird. In den USA wird diese Entwicklun­g nur insofern bemerkt, als meine jüdischen Freunde mich fragen: „Kommen die wieder zurück in Europa? Kann ich dort Urlaub machen, ohne mich zu fürchten?“Ich versichere ihnen natürlich, dass Österreich eine stabile Demokratie ist. Aber die Furcht ist berechtigt, falls Strache, Hofer und Co. mitregiere­n werden.

Es tut mir sehr leid, dass Österreich so gewählt hat. Weil ich will, dass Österreich, das Land meiner Urgroßelte­rn, wieder eine wichtige Rolle in Europa spielt. Österreich zum Beispiel als führende Kraft der kleinen europäisch­en Staaten. Wie schön wäre das!

Ein Tweet des früheren USBotschaf­ters bei der OSZE, Daniel Baer, zeigt, wie Schwarz-Blau in den USA medial wahrgenomm­en wird: „Eine Koalition von Konservati­ven und Nazis.“Und das ist genau die Schande: Schwarz-Blau wird Österreich­s internatio­nalen Interessen schaden. Im Ausland wird die FPÖ nur als Neonazi-Partei wahrgenomm­en. Ich hätte Österreich Besseres gewünscht.

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