Sollen Österreichs Steuerzahler Frankreichs Debakel finanzieren?
Warum die deutsche Regierungsbildung teuer für den österreichischen Steuerzahler werden könnte – und was wir von ÖVP/FPÖ deshalb gern erfahren würden.
Es war eine recht knackige Formulierung, mit der Sebastian Kurz jüngst in einem Interview mit der Mailänder Tageszeitung „Corriere Della Serra“aufwartete: „Meine Regierung wird europagesinnt sein, oder sie wird es nicht geben.“Das ist natürlich primär zur tunlichen Entspannung jener Ewiggestrigen in Europa gedacht, die angesichts einer möglichen Teilhabe der FPÖ an der Regierung schon wieder intellektuell hyperventilierend vor der Auferstehung des Dritten Reichs und der Rückkehr der Nazis warnen. Geschenkt.
Trotzdem lässt das Bekenntnis des Kanzlers in spe bei ernsthafterer Betrachtung einige interessante Fragen offen, die zu beantworten einem möglichen türkisblauen Regierungsübereinkommen gut anstünde. Denn „europagesinnt“ist ein Attribut, hinter dem sich so ungefähr alles und auch das genaue Gegenteil davon verbergen kann.
Als „europagesinnt“wird sich der überzeugteste Anhänger eines europäischen Bundesstaates genauso sehen wie all jene EU-Skeptiker, die meinen, ein teilweiser Rückbau der europäischen Integration und eine Stärkung des Nationalstaats seien viel mehr im Interesse Europas als ein Brüsseler Zentralstaat. „Europagesinnt“, das ist wohl nahezu jeder irgendwie – womit der Begriff irgendwie alles und nichts zugleich bedeutet.
Es wäre interessant, würden die künftigen Regierungsparteien demnächst klar erklären, mit welchem konkreten Inhalt sie diesen Begriff zu füllen gedenken, nicht zuletzt auch in ihrem eigenen Interesse, um künftige Missverständnisse hintanzuhalten. Das gilt umso mehr, als die EU vor einer recht grundsätzlichen Entscheidung steht, die in Österreich bisher viel zu wenig Beachtung fand.
Denn in den parallel zu den hiesigen stattfindenden deutschen Regierungsverhandlungen geht es nicht zuletzt darum, wie weit Deutschland künftig den Forderungen aus Paris nach (noch) mehr Transferleistungen der tüchtigeren Mitgliedstaaten (wie Deutschland der Österreich) an die lahmeren (wie Frankreich) nachgibt. Und die EU damit ein gutes Stück weiter auf dem Weg zur bisher verpönten Transferunion geht. FDP-Chef Christian Lindner lehnt das richtigerweise völlig ab, auch CDU und CSU sehen das skeptisch. Aber auf der anderen Seite will Kanzlerin Angela Merkel dem französischen Staatspräsidenten, Emmanuel Macron, doch ein Stück entgegenkommen.
Wie das ausgehen wird, ist auch für Österreich entscheidend: Kommt nämlich noch mehr Transferunion, wird das für den nächsten Finanzminister in Wien nicht eben billig werden.
Einen möglichen Kompromiss hat der deutsche EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger formuliert: „Was ich vorschlage, ist ein New Deal. Ein Geben und Nehmen auf beiden Seiten: Nettozahler geben ein bisschen mehr an den EU-Haushalt, gegen die Garantie, dass jeder Euro effizient ausgegeben wird und Mehrwert generiert. Nettoempfänger dagegen müssten mehr Aufsicht über ihre Strukturprojekte akzeptieren und könnten im Gegenzug drastische Einschnitte verhindern.“
Leider gibt es gute Gründe, solche „Garantien“mit erheblichen Vorbehalten zu begegnen. Die ganze Geschichte des Euro, der Europäischen Zentralbank und der Finanzierung von Staatsschulden in der Eurozone ist eine Geschichte von Garantien, die bei Bedarf außerordentlich flink entsorgt worden sind. Nettozahler in der EU, die solche „Garantien“– von wem eigentlich, wer haftet für sie? – noch ernst nehmen, gleichen einer regelmäßig verprügelten Ehefrau, die das Versprechen ihres notorisch gewalttätigen Gemahls, künftig lammfromm zu sein, für bare Münze nimmt.
Eine derartige „Garantie“Oettingers, frische Milliarden für Frankreich und Co. locker zu machen, sollte eine unverzügliche Besachwalterin der Geldgeber zur Folge haben. Von der nächsten Regierung wüsste man deshalb gern, was sie in diesem Zusammenhang eigentlich unter „europagesinnt“versteht.