Klimagipfel in Deutschland
Erderwärmung. In Bonn beraten die UN-Mitglieder, wie sich die 2015 in Paris gemachten Zusagen konkretisieren lassen. Die EU-Kommission wird am Mittwoch ihre Vorschläge zur Reduktion des Kohlendioxidausstoßes bei Autos vorlegen.
Bonn. 23.000 Teilnehmer, 500 Umwelt- oder Menschenrechtsgruppen sowie 1300 Journalisten aus 200 Ländern werden beim zweiwöchigen Klimagipfel erwartet, der gestern in Bonn begann. Es ist das erste der jährlichen Klimatreffen unter dem Dach der UN seit dem angekündigten US-Austritt aus dem Pariser Klimavertrag.
Wien/Bonn. Der Countdown läuft: Noch drei Jahre haben die Mitgliedstaaten der Europäischen Union Zeit, um ihre Kohlendioxidemissionen spürbar zu reduzieren. Bis spätestens 2020 soll der Ausstoß der EU um mindestens 20 Prozent unter dem Niveau des Jahres 1990 liegen. Und im Jahr 2030 sollen die CO2-Emissionen maximal 60 Prozent des Referenzwerts betragen – sofern EU-Mitglieder, Rat und Europaparlament dem ambitionierten Vorhaben zustimmen.
Vor dem Hintergrund der europäischen Anstrengungen begann am gestrigen Montag in Bonn die Klimakonferenz der Vereinten Nationen – Codename COP23. Dass das Treffen diesmal besonders wichtig ist, liegt an COP21 – der vorletzten UN-Tagung, die 2015 in Paris stattgefunden hatte, und bei der eine bahnbrechende Vereinbarung getroffen wurde: Die Weltgemeinschaft verpflichtete sich, alles zu unternehmen, damit die globalen Temperaturen im Laufe des 21. Jahrhunderts um höchstens eineinhalb bis zwei Grad Celsius steigen.
Nun gilt es, das in Paris gesteckte Ziel zu konkretisieren: In Bonn wird unter anderem darüber verhandelt, anhand von welchen Maßnahmen das Weltklima stabilisiert werden soll, und wie die Parameter auf der Ebene der UN-Mitglieder überwacht werden können. Teil des Pariser Abkommens sind nationalstaatliche Aktionspläne zur Reduktion des Treibhausgasausstoßes, die ab 2020 vorgelegt und alle fünf Jahre überprüft (und im Idealfall nachgeschärft) werden sollen. In Bonn wollen sich die Teilnehmer auf ein verbindliches Regelwerk einigen, die konkreten Pläne zur Umsetzung der Klimaziele sollen anschließend ausgearbeitet und nächstes Jahr bei der COP24 in Katowice/Polen fixiert werden. Konkrete Vorschläge werden in Bonn auch hinsichtlich der finanziellen Unterstützung der Entwicklungsstaaten durch die Industrienationen erwartet – gemäß der Pariser Vereinbarung geht es im Zeitraum 2020 bis 2025 um 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr, danach soll sich ein neu geschaffener Klimafonds um die Finanzierung der Umweltschutzmaßnahmen kümmern. Von dieser Summe ist die internationale Staatengemeinschaft allerdings noch weit entfernt: Die EU hat als weltgrößter Financier von Klimaschutzprogrammen in Drittstaaten im Vorjahr „nur“20,2 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt. Der Trend weist in die richtige Richtung, es fehlt aber noch viel Geld.
Apropos Geld: Kernelement der europäischen Bemühungen um Reduktion der CO2Emissionen ist der Handel mit Emissionszertifikaten, die Industriebetriebe benötigen, um Kohlendioxid freisetzen zu dürfen. Die Zerti- fikate werden seit geraumer Zeit wegen des angeblich zu niedrigen Preises kritisiert. Eine von der EU-Kommission 2015 vorgeschlagene Reform des Regimes für den Zeitraum nach 2020, bei der unter anderem energieintensive Industriezweige stärker in die Pflicht genommen und das Preisniveau in die Höhe geschraubt werden sollen, wird in Brüssel verhandelt. 2015 stießen die Mitgliedstaaten der Union insgesamt 3,47 Milliarden Tonnen CO2 aus – ein Minus von 21 Prozent gegenüber 1990. Österreich ist allerdings ein negativer Ausreißer: Hierzulande legten die Emissionen im selben Zeitraum um 19,5 Prozent auf 74 Millionen Tonnen zu – nur Zypern weist eine schlechtere Bilanz auf.
Neue CO2-Grenzwerte
Um die ambitionierten Fernziele zu erreichen, will die EU-Kommission die Klimakampfzone ausweiten. Am morgigen Mittwoch wird die Brüsseler Behörde ihre Vorschläge für die Neuregulierung des CO2-Ausstoßes bei Autos vorlegen. Über den Inhalt der Reformpläne wurde bis dato nur spekuliert – als relativ wahrscheinlich gelten neue, niedrigere Kohlendioxid-Grenzwerte. Das derzeit gültige Ziel: Die gesamte Fahrzeugflotte eines Herstellers soll im Schnitt nicht mehr als 95 Gramm CO2 pro Kilometer in die Luft blasen. Unklar war bis zuletzt, ob die Kommission verbindliche Quoten für Elektrofahrzeuge vorschlägt bzw. ob sie die Schere zwischen dem Ausstoß unter realen Bedingungen und im Testbetrieb schließt.
Die Konsumentenschutzorganisation BEUC forderte am Montag ein neues CO2Ziel von 75 Gramm pro Kilometer. Der Autofahrerdachverband FIA wiederum empfahl der Kommission die Senkung des durchschnittlichen Fahrzeuggewichts von derzeit 1380 auf 1000 Kilogramm, was den Co2-Ausstoß um 40 Prozent reduzieren würde.