Bei Steuertricks fehlt politischer Wille
Paradise Papers. Die Steuerenthüllungen zeigen ein altbekanntes Muster, wenn es um die Verschiebung von Gewinnen geht. Das zu Durchbrechen, wäre jedoch die Aufgabe der Gesetzgeber.
Wien. Es ist ein verzwicktes Firmenkonstrukt, das der US-Sportartikelhersteller Nike in den vergangenen Jahren aufgebaut hat. Wie die „Süddeutsche Zeitung“aufgrund von ihr zugespielten und im Rahmen eines internationalen Journalistennetzwerkes ausgewerteten Daten der auf den Bermudas beheimateten Anwaltskanzlei Appleby darstellt, hat das Unternehmen durch eine gezielte Steuervermeidungsstrategie seit dem Jahr 2005 seine effektive Steuerlast von einst rund 35 Prozent auf nur mehr etwa 15 Prozent gesenkt.
Möglich war das durch ein geschicktes Ausnützen der Lücken in den internationalen Steuergesetzgebungen. So beginnt alles damit, dass Nike seine Verkäufe in Westeuropa allesamt bei seiner holländischen Tochter verbuchen lässt. Die Töchter in den anderen Ländern treten nur als eine Art „Handelsvermittler“auf. Dadurch werden die Gesamtumsätze von gut sechs Mrd. Euro pro Jahr an der Nordseeküste gesammelt.
In Holland liegt der Steuersatz für Unternehmensgewinne mit 20 bis 25 Prozent zwar ungefähr auf dem Niveau von Österreich – EUweit also eher im oberen Bereich. Dafür sind die Niederländer aus- ländischen Firmen in anderen Bereichen sehr entgegenkommend. Etwa, wenn es um die Berechnungsgrundlage für den zu versteuernden Gewinn geht.
Diese wird in der Folge nämlich durch die Zahlung von Lizenzgebühren an eine andere NikeTochter auf den Bermudas reduziert. Allein in den drei Jahren 2010, 2011 und 2012 zahlte die holländische Tochter an ihre Schwester auf den Bermudas laut Angaben, die Nike in einem Streit mit den US-Behörden machte, fast 3,9 Mrd. Euro. Pro Jahr also fast ein Viertel des gesamten Umsatzes. Grund für diese Zahlungen sind Lizenzen für die Nutzung der Markenrechte des Nike-Logos. Und auf den Bermudas werden Gewinne, die im Ausland erzielt wurden wiederum überhaupt nicht besteuert.
Steuerlich staatenlos
2014 lief diese Steuervereinbarung zwischen Nike und den Niederlanden jedoch aus. Doch auch die Nachfolgeregelung ist für die USFirma alles andere als ungünstig. Die Lizenzrechte wurden an eine neue holländische Firma übertragen, die seither die Lizenzgebühren erhält. Diese ist jedoch eine niederländische Form der Kommanditgesellschaft. Laut holländischem Recht wird bei diesen Ge- sellschaften nur der General Partner besteuert. Da es sich bei dem um eine amerikanische NikeTochter handelt, hält sich der holländische Fiskus für nicht zuständig. In den USA wiederum, wird die Firma als niederländisch angesehen, weshalb sie dort zu besteuern sei. Im Endeffekt ist die neue Empfängerin der Lizenzgebühren steuerrechtlich staatenlos und führt nirgendwo Abgaben ab.
Das Nike-Beispiel zeigt somit sehr plastisch, wie große Unternehmen mit entsprechend findigen Beratern, ihre Steuerlast deutlich verringern können. Das ist vollkommen legal, da dabei ja keinerlei Gesetze gebrochen werden. Somit ist es bei aller öffentlichen Empörung auch illusorisch zu glauben, dass sich das ändert, sofern nicht die Gesetze entsprechend angepasst werden. Und dafür ist die Politik zuständig.
Am Montag reagierte die EU mit der Ankündigung einer „Schwarzen Liste“für Steueroasen (siehe Artikel auf Seite 5). Aber auch auf nationaler Ebene wären Verschärfungen möglich – wenn politisch gewünscht. In Österreich wurde beispielsweise mit dem „Abgabenänderungsgesetz“im Jahr 2014 die Möglichkeit, Gewinne mittels Lizenzgebühren für Markenrechte zu schmälern deut- lich erschwert. Seither werden solche Lizenzzahlungen nur mehr akzeptiert, wenn die empfangende Gesellschaft nicht weniger als zehn Prozent Steuern dafür bezahlt. „Österreich war damit wirklich europaweit Vorreiter“, heißt es dazu aus dem Finanzministerium.
Einzelne Länder scheren aus
Allerdings ist diese Regelung auf Lizenzen beschränkt und gilt etwa nicht für interne Verrechnungspreise. Wenn also eine Firma mittels Kosten für Entwicklungsleistungen Gewinne verschiebt. Solche internen Zahlungen werden hierzulande zwar seit 2015 von einer eigenen Abteilung im Finanzministerium auf ihre Plausibilität überprüft. Für eine zu den Lizenzen analoge Regelung bedürfe es jedoch eine europaweite Abstimmung.
Und genau hier fehlt der politische Wille. So haben Länder wie Irland oder Holland das Anziehen von Firmen-Zentralen mittels attraktiver Steuerregeln als volkswirtschaftliches Geschäftsmodell entwickelt. Was ein einheitliches Vorgehen der EU bewirken könnte, zeigen die USA, die für ihren strengen Fiskalbehörden bekannt sind. Sie sind das einzige Land, bei dem Nike seine Lizenzen nicht über die Bermudas abwickelte.