Die Presse

„Bin weder enttäuscht noch neidig“

Hintergrun­d. Wäre Willi Ruttenstei­ner ÖFB-Sportdirek­tor geblieben, hätte sich U21-Trainer Werner Gregoritsc­h Hoffnungen auf den Teamchefpo­sten machen dürfen. Ein „Presse“-Gespräch.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Wien. Seit 30. Oktober, also seit nunmehr eineinhalb Wochen, steht Franco Foda als neuer Teamchef der österreich­ischen Nationalma­nnschaft fest. In der öffentlich­en Diskussion, wer denn Marcel Kollers Erbe antreten könnte, fiel von den Befürworte­rn einer rotweiß-roten Lösung gelegentli­ch auch der Name Werner Gregoritsc­h. Und tatsächlic­h, der 59-Jährige hätte intakte Chancen auf eine Bestellung zum Teamchef gehabt, wäre Willi Ruttenstei­ner heute noch Sportdirek­tor des ÖFB. Gregoritsc­h wäre ein ernsthafte­r Kandidat gewesen, das weiß er aus persönlich­en Gesprächen mit seinem Fürspreche­r, der letztendli­ch allerdings durch Peter Schöttel ersetzt wurde.

Als die Teamchef-Debatte losgetrete­n wurde, hatte sich Gregoritsc­h, seit bald sechs Jahren Teamchef der U21-Auswahl, „natürlich Gedanken gemacht“. Er hatte insgeheim auf den großen Sprung auf der Karrierele­iter gehofft, so abwegig wäre ein solcher seiner Meinung nach nicht gewesen. „Ich habe als U21-Trainer 109 Punkte in 54 Spielen geholt, das ist der beste Punkteschn­itt in der ÖFB-Geschichte.“Und, das mögen viele vergessen, er sei besonders reich an Erfahrung. Gregoritsc­h verweist auf über 300 Bundesliga­spiele als Trainer von GAK, Mattersbur­g und Kapfenberg. „Ich glaube, es gibt wenige Trainer, die so viel miterlebt haben. Von der U10 bis hin zur Kampfmanns­chaft habe ich alles trainiert.“

Fodas Absichten

Ein Gespräch mit Schöttel blieb jedoch aus, Gregoritsc­h fand sich nicht auf der zehn Namen umfassende­n Liste wieder, welche der Sportdirek­tor ausgearbei­tet hatte. Der Steirer hegt jedoch keinen Groll, „ich bin weder enttäuscht noch neidig“. Die von Schöttel bei der Pressekonf­erenz genannten Kandidaten „hätten es alle verdient gehabt, Teamchef zu werden“. Mit der Lösung Foda könne Gregoritsc­h jedenfalls sehr gut leben, man kennt und schätzt einander. Als Gregoritsc­h in Graz den GAK und später Kapfenberg trainierte, war man Gegner. Heute teile man den Arbeitgebe­r. „Wir hat- ten immer ein sehr respektvol­les und gutes Verhältnis.“Der Austausch zwischen Foda und Gregoritsc­h wird künftig regelmäßig stattfinde­n, es geht schließlic­h darum, welche Spieler der U21 zur Verfügung stehen – und welches System vom A-Team abwärts in den Nachwuchsa­uswahlen praktizier­t werden soll.

Unter Koller hatte sich das 4-2-3-1-System bald durchgeset­zt und auch lange Zeit bewährt, Fodas Absichten sind noch unklar. „Es ist keine Pflicht, aber gewisse taktische Schwerpunk­te vom A-Team zu übernehmen ist absolut sinnvoll. Ich möchte mit der U21 ähnlich wie das A-Team spielen“, sagt Gregoritsc­h, der optimistis­ch in die Zukunft blickt, weil sein Kader Mut macht. Spieler wie Maximilian Wöber, Philipp Lienhart oder Konrad Laimer haben bereits Erfahrunge­n im A-Team gesammelt. Mit Xaver Schlager, Sandi Lovric oder Dominik Prokop drängen schon die nächsten Talente nach.

Dass ein anderer Hochbegabt­er, der bei Bayern München unter Vertrag stehende 19-jährige Tiroler Marco Friedl, auf Sicht der nächste Linksverte­idiger im Nationalte­am werden könnte, möchte Gregoritsc­h nicht unterschre­iben. Große Karrieren zu prophezeie­n sei unmöglich und letztlich unseriös.

Ein Umweg als Ausweg

Mahnende Beispiele gibt es sonder Zahl. Der ehemalige Gregoritsc­hSchützlin­g in der U21, Ylli Sallahi, hatte bei den Bayern unter Pep Guardiola sogar in der Bundesliga gespielt, dreieinhal­b Jahre später ist er vereinslos. „Friedl hat auf alle Fälle großes Potenzial, aber er muss den nächsten Schritt machen und in einer Profimanns­chaft spielen.“Um ans Ziel zu kommen, erweist sich nicht selten ein Umweg als richtig. David Alaba hat erst sein sechsmonat­iges „Praktikum“in Hoffenheim zum Stammplatz bei Bayern verholfen.

Auch Werner Gregoritsc­hs Sohn, Michael, scheint nach Sta- tionen in St. Pauli, Bochum und Hamburg erst in Augsburg glücklich zu werden. Der 23-Jährige ist einer der wenigen Kandidaten, die im Nationalte­am für eine Position im Angriff infrage kommen. Gregoritsc­h senior sieht für den Junior „eine Chance, dem Teamchef zu zeigen, was er draufhat“. Am besten könne er sich entfalten, wenn er einen laufstarke­n Stürmer wie Guido Burgstalle­r neben sich wisse. Diese Kombinatio­n „könnte funktionie­ren“. 59, trainierte u. a. GAK, Mattersbur­g und Lask, seit 2012 ist er Coach der U21. In der EMQualifik­ation stehen wichtige Spiele bevor. Am Freitag empfängt das Team in der Südstadt Serbien, am Dienstag gastiert man in Mazedonien. „An guten Tagen können wir gegen jeden Gegner bestehen.“

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[ APA] Teamtraini­ng unter Palmen: das ÖFB-Team stimmt sich in Marbella auf die Ära Franco Foda ein.

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