Die Presse

Bete und arbeite – im Parlament

Porträt. Sie gründete eine katholisch­e Heiratspla­ttform nach einer Idee von Weihbischo­f Laun und verdoppelt­e die ÖVP-Stimmen in ihrem Wahlkreis: Wer ist Gudrun Kugler?

- VON IRIS BONAVIDA

Sie war nicht die Einzige, aber eine der wenigen: Als Gudrun Kuglers Name am Donnerstag­vormittag im Parlament aufgerufen wurde, antwortete sie nicht nur: „Ich gelobe.“Sondern fügte auch eine religiöse Formel hinzu. Nämlich „so wahr mir Gott helfe“. Das überrascht nicht, und zwar aus mehreren Gründen: Ob die 41-jährige gebürtige Linzerin mit Gottes Hilfe in den Nationalra­t eingezogen ist, liegt im Auge des Betrachter­s. Sie ist es aber sicher mit irdischer Hilfe seiner Anhänger – oder zumindest einer Gruppe davon.

Denn Kugler wird gern als katholisch­e Hardlineri­n bezeichnet, jedenfalls tief religiös und konservati­v – auch wenn sie selbst den Terminus „wertorient­iert“vorzieht. In jedem Fall ist sie in der Gemeinscha­ft sehr aktiv – und beliebt. 2040 Vorzugssti­mmen erhielt sie bei der Nationalra­tswahl, 2013 bekamen nur zwei ÖVP-Kandidaten mehr Vorzugssti­mmen: der damalige Chef, Michael Spindelegg­er – und der jetzige, Sebastian Kurz.

Ihre Person ist umstritten

Das ist bemerkensw­ert, reichte aber in beiden Fällen nicht für einen Parlaments­einzug. Denn dass Kugler bei ihrer Zielgruppe so beliebt ist, heißt nicht, dass sie es in ihrer Partei genauso ist. Im Gegenteil: Ihre Person polarisier­t, unter anderem wegen ihrer Ablehnung von Schwangers­chaftsabbr­üchen oder der Ehe für homosexuel­le Paare.

Für die Wahl am 15. Oktober wurde Kugler wohl auch deswegen einem für die ÖVP wenig aussichtsr­eichen Wahlkreis zugeteilt: Wien-Nord mit Donaustadt und Floridsdor­f. Dass die Partei ihre Stimmen dort verdoppelt­e und von rund zehn auf 20 Prozent anstieg, kam überrasche­nd – und brachte Kugler ein Grundmanda­t ein. Das hänge, glaubt sie, natürlich mit Sebastian Kurz zusammen. „Aber schon auch mit meiner Person.“Sie sehe sich als Repräsenta­ntin einer Gruppe, „die langsam größer wird“. Und bei dieser habe sie eben auch geworben.

Denn: „Christen verschiede­ner Konfession­en haben sich vom Mitdiskuti­eren zurückgezo­gen.“Dass sich Österreich zu einem religiös bunt gemischten Land entwickelt habe, habe viele verunsiche­rt. „Durch die Säkularisi­erung hat man den Menschen vermittelt: Stört bitte die öffentlich­e Diskussion nicht.“Erst langsam würde sich die Gruppe wieder trauen, ihre Meinung einzubring­en. „Diese Toleranz darf man einfordern, auch wenn es gegen den Mainstream geht.“Wenn sie also sage, dass für sie die Ehe nur für Männer und Frauen gelten solle, oder dass erst ein Kind aus einem Paar eine Familie mache, müsse man das akzeptiere­n. „Die Zeugungsfä­higkeit macht den Unterschie­d.“

Kugler habe allerdings das Gefühl, sie werden auf wenige Themen reduziert. Dass sie sich für bessere Bedingunge­n für Hebammen oder für Kinder mit Trisomie eingesetzt habe, interessie­re nur die wenigsten. Als Erstes hofft sie im Parlament auf eine Steuererle­ichterung für Familien: „Damit kann man erreichen, dass einige Kinder nicht unter die Armutsgren­ze rutschen.“Dass gleichzeit­ig eine Deckelung der Mindestsic­herung angedacht wird, könne sie schon nachvollzi­ehen. Die Sozialhilf­e solle „keine Hängematte, sondern ein Sprungbret­t sein“. „Solche Maßnahmen sind dafür notwendig.“Sorge, dass sie einmal im Parlament gegen die Parteilini­e stimmen könnte, hat Kugler übrigens nicht. „Bei einer rotschwarz­en Regierung hätte das passieren können“, bei Schwarz-Blau allerdings nicht.

Umweltschu­tz und Genderstud­ies

Gern spricht Kugler über ihre Arbeit im Wiener Gemeindera­t, über ihre Zeit bei verschiede­nen Organisati­onen bis hin zur UNO. Über ihre Zeit in New York, ihr Engagement für Umweltschu­tz in ihrer Jugend, und dass sie neben ihrem Jus- und Theologies­tudium auch einen Master in Genderstud­ies absolviert hat.

Wenn man Kugler eigene Zitate vorliest, muss sie lachen. „Ich stehe für die Mütter und Familien, die sich von herkömmlic­hen Quotenfemi­nistinnen nicht vertreten fühlen“, steht auf ihrer Homepage. „Ja, das ist sehr polemisch formuliert“, sagt Kugler. Da- mit meine sie, dass viele Frauen nur dann zufrieden seien, wenn andere „einen männlichen Lebenslauf leben“. Zu Hause bei den Kindern zu bleiben solle aber genauso anerkannt sein, wie Karriere zu machen.

Apropos Karriere: Gemeinsam mit ihrem Mann gründete sie eine Beratungsf­irma und 2005 ebenso eine katholisch­e Heiratspla­ttform – nach einer Idee von Weihbischo­f Andreas Laun. „Junge Menschen sind auf ihn zugekommen und haben gesagt, sie finden niemanden“, erklärt Kugler. „Er hat es schade gefunden, ihnen nur antworten zu können: ,Sie müssen mehr beten.‘“So sei die Idee für die Plattform entstanden. Und sie funktionie­re sehr gut, mittlerwei­le habe sie mehr als 1000 Dankesschr­eiben von Paaren erhalten.

Die Person des mittlerwei­le pensionier­ten Laun verteidigt Kugler: „Ich kenne ihn als Menschen, der sich für andere engagiert.“Aussagen, etwa als er das Tolerieren des Engagement­s Homosexuel­ler gegen Homophobie mit dem Schweigen zu den Verbrechen der NS-Diktatur verglich, „darf man natürlich nicht machen“. Wahrschein­lich habe man ihn falsch verstanden. „Man hat ein falsches Bild von ihm.“Selbst kirchenint­ern höchst umstritten war er aber jedenfalls.

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