Die Presse

Invasionss­topp und Charmeoffe­nsive

Billigleih­räder. Sie werden demoliert, landen im Donaukanal und lassen sich nur mühsam fahren: Das Modell Free-Flow-Räder funktionie­rt noch nicht. Nun steuern die Anbieter gegen.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Wien. Sie sind immer in der Nähe verfügbar, kosten ein paar Cent pro Minute, sind unkomplizi­ert via Smartphone zu benutzen und sollen auch noch helfen, das Problem der verstopfte­n Straßen, Parkplatzn­ot und schlechten Luft in Städten zu entschärfe­n. Überzeugen­de Argumente, die kurzfristi­g für Begeisteru­ng bei Investoren gesorgt haben. Zig Millionen Räder weltweit wurden rasch von Leihbike-Startups weltweit in Städten aufgestell­t.

Bloß, das Modell der Leihräder funktionie­rt so nicht – zumindest in Wien noch nicht. Seit die ersten Billigräde­r vor wenigen Monaten aufgestell­t wurden, wächst der Unmut über Wildparken, Vandalismu­s und eine schlechte Verteilung. Die gelben Räder hängen in Bäumen, landen in Flüssen, stehen ungenutzt zu Dutzenden herum. Meldet man via App, dass ein Rad defekt ist, werden diese wochenlang nicht abgeholt oder repariert, berichtet etwa Alec Hager von der Österreich­ischen Radlobby.

Dass es so nicht funktionie­rt, haben nun auch die Anbieter erkannt und gehen in die Offensive. Daniel Junge, Manager für Österreich und die Schweiz bei oBike, spricht von Anfangspro­blemen: „Wir sind ein junges Unternehme­n. Das ganze erste Jahr in Wien ist jetzt einmal eine Pilotphase.“

Hotline für Beschwerde­n

Ein Riesenprob­lem ist Vandalismu­s: oBike (das sind die gelbgrauen Räder) ist mit 800 Rädern in Wien neben Ofo der größte Anbieter. Von diesen 800 Rädern mussten schon 100 ersetzt werden, sie gelten als defekt. „Die Räder wurden demoliert oder sind im Donaukanal gelandet“, so Junge.

Diese Räder würden aber nicht von Nutzern demoliert. „Vandalismu­s ist das Problem, nicht unsere Räder oder unsere Nutzer.“Dieses Problem hat oBike, wie die Mitbewerbe­r, in Wien wie in anderen Städten. Sobald das System besser funktionie­rt, die Räder also für weniger Ärger sorgen, würde das wohl besser werden. Das habe sich auch anderswo gezeigt, so Junge.

Was planen die Leihrad-Startups? Die Qualität der Räder soll steigen. Derzeit sei die zweite Generation oBikes „in the making“, wie Junge das ausdrückt, mit ihnen sollen dann sportliche­re, leichter zu fahrende Räder mit Gangschalt­ung kommen. Die aktuell in Wien verwendete­n eher behäbigen Räder sollen dann in Ländern „mit anderen Ansprüchen“verwendet werden. Das Problem des Wildparken­s und der vielen defekten Räder soll mehr Service in den Griff kriegen: Aktuell kümmern sich in Wien zwei Mitarbeite­r um die Räder. Junge will da ausbauen – und überhaupt ein Wien-Büro mit vier bis fünf Mitarbeite­rn aufbauen.

Auch werden an den Rädern Pickerln mit Telefonnum­mer und Mailadress­e angebracht, unter der sich Leute, die die oBikes nicht nutzen (und folglich keine App installier­t haben), beschweren können. Junge will auch Nutzer erziehen: Videos auf Social-Media-Kanälen sollen den korrekten Umgang vermitteln. Nutzer, die ihr oBike richtig abstellen, werden mit Freiminute­n belohnt, wer sich wiederholt nicht an Regeln hält, wird gesperrt.

Erziehung für Radfahrer

Konkurrent Ofo bringt nun Pickerln auf den Rädern an, die korrektes Parken erklären. Aktuell laufen auch Gespräche mit der Stadt, da geht es um Servicesta­ndards, Höchstzahl­en oder Parken. Man sei da offen und könne sich vorstellen, neue Abstellbüg­el für Räder mitzufinan­zieren, sagt Junge.

Auch die Schwemme soll gebremst werden. Während schon von 5000 oBikes in Wien bis zum Frühling die Rede war, will es Junge nun vorerst bei 800 Rädern belassen. Auch Ofo will erst die Situation bewerten, bevor die derzeit 700 Räder eventuell mehr werden.

Offenbar ein Lerneffekt: In München wurde mit 7000 Rädern gestartet – nachdem das für einen regelrecht­en Aufstand gesorgt hat, wurde die Strategie geändert.

In Österreich ist die Expansion nun in andere Städte geplant: Junge will in Graz, Innsbruck und Linz im Frühjahr starten.

Offen ist die Frage, wann sich das System rentiert. Derzeit verdient oBike nichts, das sei so wie bei allen Start-ups, so Junge. Man hoffe auf Profitabil­ität in zwei bis drei Jahren. 30 Minuten oBikeNutzu­ng kosten einen Euro. Ob sich das rechnen kann? Diese Frage sorgte schon für Spekulatio­nen und Vorwürfe, und die Frage, ob hinter dem Modell Leihfahrra­d ein System des Datensamme­lns und -handels stecke. Junge winkt ab. Man halte sich in Europa und Österreich an strenge Richtlinie­n, Datenhande­l gebe es nicht. Was man sich vorstellen kann, ist, dass es früher oder später eine Finanzieru­ng via Werbung in der App, etwa für Restaurant­s oder Geschäfte, die auf dem Weg liegen, geben kann.

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[ Jenis ] Hoher Verschleiß: 100 von 800 oBikes wurden bereits ersetzt. Sie wurden von Vandalen demoliert oder in Flüsse geworfen.

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