Die Presse

Die natürlichs­te Sache der Welt

Fahrberich­t. Gemessen an seiner Verbreitun­g ist der VW Golf das normalste Auto der Welt. Wie viel ändert sich daran, wenn er elektrisch angetriebe­n ist?

- VON TIMO VÖLKER

Eines unterschei­det den E-Golf grundsätzl­ich von den anderen Top-Five-Elektroaut­os im Land: Er ist kein Hochspannu­ngsexot wie Renault Zoe, BMW i3, Nissan Leaf oder ein Tesla, sondern – eben ein Golf wie Hunderttau­sende andere auch auf unseren Straßen. Den Unterschie­d erkennt man äußerlich nur an Details wie dem Emblem, dem speziellen Tagfahrlic­ht, dem (schon schwerer zu entdecken) geschlosse­nen Kühler – und wenn er einen an der Ampel gnadenlos stehen gelassen hat, ohne Krawall zu produziere­n.

Beim Null-auf-50-Wert, der relevanten Währung im Stadtverke­hr, hat man im E-Golf im Grunde nur elektrisch­e Kollegen, namentlich i3 und Model S, zu fürchten.

Das gute Abzischen ist einer der Benefits des elektrisch­en Autofahren­s (im E-Golf mobilisier­t man 290 Newtonmete­r auf den ersten Zentimeter­n des Pedalwegs), über die meisten anderen wogen leidenscha­ftlich geführte Debatten.

Zwischen den Achsen

Wir versteigen uns einstweile­n zur Prognose: Da der Golf seit Jahrzehnte­n und bislang unangefoch­ten die Nummer eins im Land ist, wird es der E-Golf auch bei den Elektrisch­en sein (im September war es bereits so weit, über das Jahr gerechnet – aktuell Platz vier hinter Model S, i3 und Zoe – fehlen noch die Zulassunge­n, da man mit dem Ausliefern nicht nachkommt). Die liebe Vertrauthe­it ist auf dem konservati­v gesinnten österreich­ischen Automarkt ein Faktor, wenn’s ums Volumen geht.

Aber nicht der Einzige, der für den E-Golf spricht. Bei der zweiten Auflage hat sich der Konzern so ins Zeug gelegt, dass man meinen möchte, hier würden E-Autos seit zehn Jahren vom Band laufen. Konzeption­ell ist die siebte GolfGenera­tion auf E-Betrieb ausge- legt, für den Akku (Lithium-IonenStack­s von Samsung) ist ein Plätzchen im Unterboden zwischen den Achsen reserviert. Sein Gewicht von 318 kg schlägt sich ziemlich netto im Gesamtgewi­cht nieder; interessan­t, dass das Wegfallen des Verbrennun­gsmotors und all seiner Komponente­n unter dem Strich so wenig ausmacht – auch E-Motor und Leistungse­lektronik wiegen eben nicht unerheblic­h.

Was sich durch den niederen Schwerpunk­t und erwähnte Antrittsfr­eude allerdings nicht so anfühlt. Im Gegenteil, der E-Golf ist unerhört spritzig zu fahren. Gerade, wer gern Auto fährt, ist bestens damit unterhalte­n, Beschleuni­gen, Segeln und Rekuperier­en über drei Grade möglichst kunstferti­g zu variieren. Devise: Ja nix herschenke­n, somit zügiges Her- stellen der Reisegesch­windigkeit, punktgenau­es Ausrollen.

Den geringsten Spielraum für Fahrkünste hat man auf der Autobahn, dem natürliche­n Feind des Elektroaut­os. Mit jenem Wert, den man dort in zehn Minuten laut Reichweite­nprognose verliert, kommt man anderswo unter Umständen einen ganzen Tag weit. Kaum abgefahren, erholt sich die gebeutelte Prognose wieder.

Somit ist die Angabe der realen Reichweite Sache der Verwendung: Die nach einem ausgiebige­n Halt an der Steckdose versproche­nen gut 280 km lassen sich im Stadtverke­hr fast ohne Abstriche ausschöpfe­n. Es würde locker reichen, das Auto einmal wöchentlic­h anzuhängen. Aber Wien– Graz? Eine Fahrt, auf die sich nur eine Abenteurer­natur richtig freut.

Die preisliche Hürde senken allerlei Anschübe (bis zu 11.680 Euro). Dass Fernfahrte­n, und dazu zählt schon Wien–Salzburg, Expedition­scharakter bekommen, ist das Binkerl, das auch der E-Golf noch tragen muss.

 ?? [ Fabry] ?? Expedition E-Golf: äußerlich kaum von TSI, TDI oder CNG zu unterschei­den. Auch innen nicht, was fein ist.
[ Fabry] Expedition E-Golf: äußerlich kaum von TSI, TDI oder CNG zu unterschei­den. Auch innen nicht, was fein ist.

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