Die Presse

Kahlschlag bei Siemens

Sanierung. Konzernche­f Kaeser zückt bei Turbinen und Windrädern den Rotstift – 10.000 Jobs sollen mittelfris­tig gestrichen werden.

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München. Nach dem Umbau ist vor dem Umbau: Seit Joe Kaeser 2014 Siemens-Chef wurde, hat er das deutsche Industries­chwergewic­ht massiv verändert. Sparten wurden abgespalte­n, verkauft oder geschlosse­n, Zukunftsfe­lder wie die Medizintec­hnik ausgebaut. Der nächste große Schnitt ist fix – im Geschäft mit Kraftwerks­turbinen und Windrädern. Die „schmerzhaf­ten Einschnitt­e“, die Kaeser am Donnerstag bei der Bilanzpräs­entation eingeräumt hat, wird die Belegschaf­t am 16. November erfahren.

„Defizitäre Geschäfte dauerhaft zu subvention­ieren wäre verantwort­ungslos“, betonte Personalch­efin Janina Kugel und deutete auch Entlassung­en und die Schließung ganzer Werke an. Das fürchtet die Gewerkscha­ft IG Metall schon länger, denn es ist ein offenes Geheimnis, dass die Sparte Power & Gas, die infolge der Energiewen­de kaum Aufträge zu erwarten hat, schwächelt. Aber auch die Windkraftt­ochter Siemens Gamesa ist mit einem drastische­n Umsatz- und Gewinneinb­ruch konfrontie­rt. Dort sollen 6000 der 26.000 Arbeitsplä­tze gestrichen werden. Bei Power & Gas ist die Rede von 4000 Stellen.

Das heißt, im Siemens-Reich stehen 10.000 Jobs auf dem Spiel. Das ist genug Munition für einen Arbeitskam­pf: „Wir zweifeln nicht daran, dass etwas passieren muss“, sagte IG-Metall-Sprecher Hagen Reimer. „Aber wir werfen Siemens vor, so lang gewartet zu haben, bis es nicht mehr ohne Kündigunge­n geht. Das werden wir nicht hinnehmen.“Da hilft möglicherw­eise auch nicht das Trostpflas­ter: Die 372.000 Mitarbeite­r erhalten Aktien im Wert von 400 Mio. Euro.

Der Abbau werde, wie Finanzvors­tand Ralf Thomas sagte, im neuen Geschäftsj­ahr 2017/18 auch erhebliche Kosten verursache­n. Diese hat Kaeser aus der Gewinnprog­nose vorsorglic­h ausgeklamm­ert. Die Umsatzrend­ite im Indus- triegeschä­ft soll zwischen elf und zwölf Prozent liegen, 2016/17 wurden 11,2 Prozent erreicht. Beim Ergebnis je Aktie peilt Siemens bis zu 7,70 Euro an, was ein Plus von zwei bis neun Prozent wäre.

Obwohl Siemens mit 83 Mrd. Euro Umsatz und 6,2 Mrd. Euro Nettogewin­n Rekordzahl­en geliefert hat und die Dividende um zehn Cent auf 3,70 Euro anhebt, waren die Analysten unzufriede­n – die Aktie fiel um bis zu drei Prozent. Denn im vierten Quartal fiel das industriel­le Geschäft um zehn Prozent, bei Power & Gas sackte der Gewinn um 40 Prozent ab. Siemens Gamesa schrieb Verlust.

Medizin für die Börse

Kaeser denkt schon an die nächsten Schritte: 2018 erfolgen die Fusion des Zuggeschäf­ts mit dem französisc­hen Rivalen Alstom und der Börsengang der Medizintec­hniksparte. Mit bis zu 40 Mrd. Euro Firmenwert könnte Healthinee­rs einer der größten Börsenneul­inge in Deutschlan­d werden.

Für die Zeit nach 2020 soll eine neue Strategie erarbeitet werden. Dabei gehe es darum, dass sich die einzelnen Geschäftsb­ereiche stärker fokussiere­n. „Sie müssen mit den Spezialist­en der Branche mithalten können“, sagte Kaeser. Klassische Konglomera­te hätten keine Zukunft. (eid/ag.)

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[ Imago ] Turbinen sind kein Geschäft mehr.

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