Die Presse

Verkuppelt­e Kulturen im „Louvre des Sandes“

Abu Dhabi. Nach zehn Jahren Bauzeit eröffnet morgen, Samstag, das glamouröse­ste Imageproje­kt der Vereinigte­n Arabischen Emirate: Im Louvre Abu Dhabi wird die Kunst als Brückensch­lag zwischen den Kulturen präsentier­t.

- VON MARTIN GEHLEN

Lang sah es so aus, als werde das Museum nie fertig. Morgen, Samstag, ist es nun so weit – der Louvre Abu Dhabi ist nicht mehr als riesige Baustelle, sondern als Museum die geplante Touristena­ttraktion. Schon Mittwochab­end gab es unter der markanten perforiert­en Riesenkupp­el des französisc­hen Stararchit­ekten Jean Nouvel einen ersten Festakt, an dem u. a. Frankreich­s Präsident, Emmanuel Macron, teilnahm. Empfangen wurde er von Scheich Khalifa bin Zayed al-Nayan, dem Chef der Vereinigte­n Arabischen Emirate (VAE), der sich sein neues Prunkstück schätzungs­weise 1,5 Milliarden Euro kosten ließ. Mit 620 Kunstwerke­n auf 6000 Quadratmet­ern soll hier eine Brücke zwischen Kontinente­n und Kulturkrei­sen geschlagen werden. Eine unfassbar teure: 580 Millionen Euro kostete allein der Bau. Die Hälfte der Exponate, die acht Jahrtausen­de Menschheit­sgeschicht­e abdecken, wurde im vergangene­n Jahrzehnt mit Millionen erworben. Die andere Hälfte besteht aus mit 190 Millionen Euro vergüteten Leihgaben französisc­her Museen. Die auf 30 Jahre befristete Nutzung der Marke Louvre ließ sich das Emirat weitere 400 Millionen Euro kosten. Und mit 160 Millionen Euro schlägt die Beratung durch französisc­he Museumsexp­erten für die nächsten 15 Jahre zu Buche.

Der Rundgang durch die Epochen und durch die Hochkultur­en beginnt mit einer der frühesten Figuren der Menschheit, einer doppelköpf­igen, neolithisc­hen Plastik aus Jordanien. Der „blaue Koran“, das älteste Exemplar des heiligen Buches der Muslime, ist mit einer mittelalte­rlichen Bibel, buddhistis­chen Sutren und einer 500 Jahre alten jemenitisc­hen Thora vereint. Andere Räume zeigen Schätze aus China, Indien und Japan. Zu bewundern sind Gemälde von Leonardo da Vinci und Hans Holbein, Eduard Monet und Vincent van Gogh, Henri Matisse und Paul Klee, Jackson Pollock und Pablo Picasso. Alles ist hier vertreten, was einen (Marken-)Namen hat.

Chinas bekanntest­er zeitgenöss­ischer Künstler, Ai Weiwei, der heute in Berlin lebt, steuerte eine sieben Meter hohe Lichtfontä­ne in Form einer Spirale bei. Dabei bezieht er sich auf den Tatlin-Turm, das legendäre Utopieproj­ekt aus dem kommunisti­schen Russland von 1919, das nie realisiert wurde.

Über all dem schwebt die bewusst transparen­te, wie aus Aluminium geflochten wirkende Dachkonstr­uktion, der spektakulä­rste Teil des Baus, umgesetzt von den österreich­ischen Stahlbausp­ezialisten Waagner-Biro (Auftragsvo­lumen: 80 Millionen Euro). Fünf Fußballfel­der groß, spendet die Kuppel den 55 weißen, kubischen Häusern darunter, in denen sich die Galerien befinden, den wesentlich­en Schatten. Das soll die Atmosphäre einer arabischen Medina symbolisie­ren, erläuterte Chefdesign­er Jean Nouvel, mit ih- ren dezenten Häusern und schattigen Gassen. „Große arabische Architektu­r ist immer Geometrie und Licht“, sagt der 72-Jährige.

Sein futuristis­cher Kultbau gehört aber auch zur Soft-Power-Strategie der superreich­en Golfemirat­e, die durch Kultur und Tourismus, Sportturni­ere und Megaprojek­te, globale Konferenze­n und Festivals ihr Ansehen heben, ihre politische Statur vergrößern wollen. Doch wie in allen anderen Ölmonarchi­en liegen auch in Abu Dhabi PowerPoint-Träume und Realitäten weit auseinande­r. So existieren die beiden vor einem Jahrzehnt mit großem Pomp ausgerufen­en urbanen Großinvest­itionen, die Ökostadt Masdar City und die Kulturinse­l Saadiyat, immer noch weitgehend auf dem Reißbrett.

Kritische Künstler unerwünsch­t

Einzig der Louvre Abu Dhabi ist – wenn auch um Jahre verzögert – bisher fertiggest­ellt worden. Dagegen ist die von Stararchit­ekt Frank O. Gehry entworfene Guggenheim-Filiale noch nicht über ein paar Betonfunda­mente hinausgeko­mmen. Und das Zayed-Nationalmu­seum von Sir Norman Foster scheint auf den Sankt-Nimmerlein­stag verschoben. Der „Louvre des Sandes“wiederum war von Anfang an von Skandalen begleitet, vor allem wegen der sklavenähn­lichen Arbeitsbed­ingungen, die auf Großbauste­llen in der Golfregion herrschen. 2014 wurden Dutzende Arbeiter deportiert, nachdem sie gegen ihre Ausbeutung gestreikt hatten. Und Künstlern, die diese Missstände anprangert­en, verweigert­e das Emirat die Einreise.

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[ APA/Somji ] Eine fünf Fußballfel­der große Kuppel spendet den Galeriehäu­sern darunter Schatten: Jean Nouvel entwarf den Louvre Abu Dhabi, umgesetzt wurde er von den österreich­ischen Stahlbausp­ezialisten Waagner-Biro.
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[ Reuters ] Das Museum besteht aus 55 weißen Kuben, in denen sich die Galerien befinden. Sie alle verbindet die durchbroch­ene Kuppel, die Schatten spendet und mit dem Licht spielt.

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