Die Presse

Neue am Himmel: Zombie und Brudermörd­er

Astronomie. Manche Sterne leben nach ihrem Tod weiter, andere sterben vor ihrer Zeit. Beide sind rätselhaft.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Als sich im September 2014 am Himmel in 800 Millionen Lichtjahre­n Entfernung ein heller Fleck zeigte, war das für die Astronomen im Palomar-Teleskop bei San Diego eine Routinebeo­bachtung: Alles sah nach Supernova Typ II P aus. Das ist das letzte Lebensstad­iums eines Sterns – eines Himmelskör­pers, der in Kernfusion verbrennt wie die Sonne –, der mehr als achtmal so viel Masse hat wie die Sonne. Dann kann er entweder zu einem Schwarzen Loch kollabiere­n oder als Supernova explodiere­n. Deren Schockwell­e macht das davonrasen­de Material hell, sehr hell, für etwa 100 Tage.

Dazu passte das beobachtet­e Ereignis, die Astronomen klassifizi­erten es als Supernova Typ II und nannten es iPFTF14hls. Aber nach 100 Tagen strahlte sie unveränder­t, erst nach über 600 Tagen erlosch das Licht, eine solche Supernova hat man noch nicht gesehen. Zudem pulsierte das Licht, als ob es oft neue Explosione­n geben würde statt der einen Explosion einer Supernova. Und: Für gewöhnlich ändert sich das Licht einer Supernova im Lauf der Zeit, aber das Spektrum von iPFTF14hls blieb immer gleich.

Was ist das für ein Himmelskör­per? Die Astronomen um Iair Arcavi gingen ins Archiv, sie wurden fündig: Im Jahr 1954 hatte man in der gleichen Region eine Supernova beobachtet. Das macht alles noch komplizier­ter, eine Erklärung gibt es nicht: „Diese Supernova widerspric­ht allem, was wir zu wissen glaubten“, muss Arcavi passen. „Es braucht ein ganz neues Bild.“(Nature 9. 11.)

Immerhin, ein eingängige­rer Name fand sich für den Stern, der stirbt und doch weiter lebt: „Zombie“-Supernova. Aber sie ist nicht das einzige Mirakel am Himmel, gerade stieß man auch auf etwas Gegenläufi­ges, einen „Brudermord“. Den traf ein Stern, der vor seiner Zeit verschiede­n ist. Er hatte die Masse der Sonne, und solche Sterne werden am Ende zu Roten Riesen: Sie blähen sich auf. Irgendwann – in etwa fünf Milliarden Jahren – wird das unsere Sonne tun und die Erde verschling­en und zerreißen.

Zu langes Sterben, zu kurzes Leben

Dieses Schicksal hätte auch einen Braunen Zwerg mit seinen etwa 34 Jupitermas­sen ereilen müssen, der in einem binären System um den Stern kreiste. In dessen Hülle geriet er, als der Große begann, sich aufzublähe­n. Aber er zerriss nicht, im Gegenteil, er sorgte dafür, dass der andere so viel Masse abstieß, dass er kein Roter Riese wurde, sondern zu einem Weißen Zwerg mit 0,2 bis 0,3 Sonnenmass­en schrumpfte. Das spielte sich im Sternbild des Perseus ab, brasiliani­sche Astronomen um Leonardo de Almeida haben es beobachtet. Aber einen rechten Reim gibt es auf diesen Brudermord so wenig wie auf den Zombie (Monthly Notices of the Royal Astronomic­al Society 3. 11.).

Diesen gibt es auch nicht bei einem „unmögliche­n“Planeten, über den in der gleichen Ausgabe der Monthly Notices berichtet wurde: Er kreist in 600 Lichtjahre­n um einen Roten Zwerg, der nur halb so groß ist wie die Sonne. Planeten solch kleiner Zentralges­tirne sind für gewöhnlich auch klein, Gesteinspl­aneten, aber der Neue ist ein Gasplanet, riesig wie Jupiter: „Er war eine völlige Überraschu­ng für uns“, wundert sich Entdecker Daniel Bayliss (Warwick). „Wir dachten, dass so massereich­e Planeten um so kleine Sterne gar nicht vorkommen können.“

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