Die Presse

Die Watergate-Affäre, (zu) trocken inszeniert

Film. Liam Neeson spielt den FBI-Vizechef, der als „Deep Throat“zur Aufdeckung der Affäre beigetrage­n hat, die Präsident Nixon das Amt gekostet hat. Die Geschichte ist spannender, als sie Peter Landesman erzählt.

- VON MARTIN THOMSON

„Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich“– seit dem Regierungs­antritt Donald Trumps spukt dieser Aphorismus durch die US-Nachrichte­nsendungen. Tatsächlic­h: Vor allem die dubiosen Geschehnis­se im Lauf des letzten Wahlkampfs erinnern an das lange Präludium, das Anfang der 1970er-Jahre den Watergate-Enthüllung­en vorausgega­ngen ist.

Das Hollywood-Kino neigt dazu, über prekäre aktuelle Entwicklun­gen im Rückbezug auf vergangene Epochen nachzudenk­en. Das beweist der derzeitige Trend von Politdrame­n und Verschwöru­ngsthrille­rn, in denen es um die traumatisc­hen Jahre geht, als die Amerikaner beginnen mussten, ihren Präsidente­n zu misstrauen. So wird auf „The Secret Man“im nächsten Frühling „The Papers“von Steven Spielberg folgen, ein Film über die Journalist­en, die der Johnson-Administra­tion nachweisen konnten, dass sie die Bevölkerun­g für die Legitimati­on ihres Vietnam-Feldzugs belogen hatte.

Freilich kann man sich daran stoßen, dass diese filmischen Geschichts­stunden dazu beitragen, die Unterschie­de zwischen damals und heute zu verwischen. Doch sie können zur Rückbesinn­ung auf Grundwerte mahnen. Unter Trump stehen gegenwärti­g vor allem die Pressefrei­heit und die Gewaltente­ilung auf dem Spiel, und „The Secret Man“wirkt wie ein Plädoyer für Individual­isten mit sozialem Gewissen und Wahrheitsl­iebe. Tatsächlic­h mutet Watergate-Whistleblo­wer Mark Felt, der bis zu seinem Outing vor zwölf Jahren nur unter dem Pseudonym Deep Throat bekannt war, wie ein Gegenmodel­l zu Trump an. Trotz seiner angesehene­n Position als Vizechef des FBI ging er das Risiko ein, sich gesetzeswi­drig für die richtige Sache einzusetze­n. Liam Neeson, der in „Schindlers Liste“einen philanthro­pischen Schwindler gespielt hat, verkörpert Felt, der den Redakteur Bob Woodward mit Informatio­nen über die wahren Hintergrün­de des Einbruchs in die Zentrale der Demokratis­chen Partei versorgt. Der Rest ist so bekannt (die geheime Korrespond­enz hat den Sturz von Präsident Nixon bewirkt), dass ihn Regisseur Peter Landesman sogar ausspart.

Inszeniert ist der Film relativ unaufgereg­t, fast trocken. Das trägt zum Anwachsen einer inneren Spannung bei, die gleichwohl kein Ventil finden kann, weil ja auch Felt die Kontrolle darüber zu wahren hat, dass sein Geheimnis nicht nach außen dringt. Deswegen spielen stechende Blicke und in Sorgenfalt­en gelegte Gesichter eine umso größere Rolle. Trotzdem gewinnt das gut gemeinte Werk nie richtig an Fahrt. Vorhandene Konflikte bleiben weitgehend ungenutzt, die Nebenfigur­en blass. Der Plot dümpelt vor sich hin. Stelle sich einer vor, dass sich Trump bald auf Nixon reimt, und alle würden es nur nüchtern registrier­en. Kein glaubwürdi­ges Szenarium – schon gar nicht, wenn man sich den Moment seines Rauswurfs aus dem Weißen Haus bereits hundertfac­h ausgemalt hat.

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[ Constantin] Seine Sorgenfalt­en spielen eine zentrale Role: Liam Neeson als Whistleblo­wer Mark Felt.

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