Und dann haut man sich noch die Zehen an
Man hat mir nahegelegt, nichts mehr über den Nebel zu schreiben, weil dazu schon alles gesagt sei, aber das ist es nicht, das ist es nie. Wer den Großteil seines bisherigen Lebens in Orten nahe der Donau verbracht hat, wo der Nebel von November bis Februar alles einnimmt, nur kurz unterbrochen von einem sonnigen Hoch rund um Weihnachten (wenn es wirklich niemand braucht), der weiß, wie viele Facetten das Leben mit dem Nebel hat. Nicht nur rückwärts gelesen.
Natürlich kann man ihm auch etwas Gutes abgewinnen. Unlängst hat wieder einer dieser Städter, den eine heftige Liebe zum Waldviertel erfasst hat, geschwärmt, wie schön das sei, mit einer Tasse Tee im kuscheligen Wohnzimmer (in der Ecke flackert das Kaminfeuer, es knistert und riecht gut) zu sitzen und hinauszuschauen, wo das Weißgrau, das alles verschluckt hat bis auf ein paar kahle Äste, langsam Nacht wird.
Nun, so poetisch wird nicht jedem ums Herz, und das liegt nicht nur am fehlenden Kamin. Man erinnert sich, im weißen Nichts frierend über endlose Äcker (im Wald wäre es zu gruselig) zu stolpern, um nach Tagen des Lustlos-drinnen-Herumhängens „auszulüften“. Da nicht klar ist, wo oben aufhört und unten anfängt, geschweige denn, was vor oder hinter einem liegt, stolpert man gegen gefrorene Erdschollen, die so hart sind wie Stahl. Gut ausgelüftet, aber mit verstauchten Zehen hat man danach einen guten Grund, in die Tasse Tee auch ein wenig Rum hineinzuschütten.
Der Austausch mit anderen Betroffenen dreht sich konsequent ums „Aufreißen“des Nebels – also wann (kurz bevor es dunkel wird, schnell, schnell alle noch einmal raus), wo (immer da, wo man nicht ist), oder ab welcher Höhe. So lernt man gut Serpentinen fahren. Wenn einen aber beim Autofahren eine Nebelwand plötzlich komplett umhüllt, ist man schon sehr allein auf dieser Welt.
Das lehrt er einen auch, der Nebel, diese tiefe Dankbarkeit, wenn er sich endlich wieder verzieht.