Die Presse

Auf der Seite Russlands

Gastkommen­tar. Die Reise der FP-Vertreter auf die Krim ist ein Affront gegen die europäisch­e Politik und gegen Österreich­s Neutralitä­t.

- VON OLEXANDER SCHERBA Der Autor ist Botschafte­r der Ukraine in Wien.

Dann folterten sie mich mit Strom, indem sie die Klemmen an verschiede­nen Körperteil­en befestigte­n. Dann saßen sie auf meinem Rücken, sodass ich mich nicht bewegen konnte. Ich fing an zu schreien, aber sie verschloss­en mir den Mund. Dann wurde ich ohnmächtig. Später, nachdem sie gedroht hatten, mir Stacheldra­ht hinten hineinzusc­hieben – und das Gleiche mit meiner Frau zu tun –, gab ich auf und unterschri­eb alles!“

Das sind Zeugnisse von Renat Paralamov, einem Krimtatare­n, der am 2. November in Kiew über seine Erfahrunge­n mit dem russischen Geheimdien­st FSB berichtete. Seine Folterer waren keine Banditen oder Paramilitä­rs, sondern russische Staatsbedi­enstete, beauftragt mit einem Ziel: jede Art des Dissens auf der besetzten Halbinsel zu zerdrücken.

Auf diese Art verzeichne­te der FSB große Erfolge: Schon zuvor mussten Tausende ethnische Ukrainer und Krimtatare­n die Krim verlassen, Dutzende Aktivisten wurden entweder getötet oder verschwand­en. Auch nachdem der von Präsident Putin eingesetzt­e „Ministerpr­äsident“Aksionov die Krim schon für „Homo-frei“erklärt hatte.

Am gleichen Tag, als Renat Paralamov seine unmenschli­che Qual beschrieb, genossen zwei FPÖ-Politiker, der Linzer Vizebürger­meister Detlef Wimmer und das Nationalra­tsmitglied Hans-Jörg Jenewein, ihre Suiten in der besetzten Stadt Jalta, wohin sie gereist waren, um Unterstütz­ung für die russische Annexion der Krim zu bezeugen. An der Seite des Außenminis­ters von Südossetie­n und anderer „hochrangig­er Gäste“schlossen sie sich der „Assoziatio­n der Freunde der Krim“an – einer Struktur, die laut Aksionov einem Ziel dient: „Anerkennun­g des legitimen Charakters des Krim-Referendum­s 2014“.

Appelle wurden nicht erhört

Nachdem meine eindringli­chen Briefe an Herrn Wimmer und Jenewein nicht erhört wurden, ist mir klar: Es lohnt sich nicht, mit ihnen über das Leiden der Menschen zu sprechen. Auch das Völkerrech­t interessie­rt sie anscheinen­d wenig. Vertragsbr­uch, Annexion, Folter, offizielle Homophobie, eine Travestie namens „Referendum“– wenn man etwas nicht sehen will, dann ist man eben ein freiwillig­er Blinder.

Entscheide­nd ist, Österreich ist nicht Südossetie­n: Ein respektabl­es friedliche­s EU-Mitglied, ein verlässlic­her Partner für alle, ein Land, das eigene Erfahrunge­n mit Annexionen und jetzt auch die OSZEPräsid­entschaft innehat, wird zu Recht mit anderem Maß gemessen.

Ein Politiker ist nicht nur gebunden an seine moralische­n Kriterien, sondern auch an die Verpflicht­ungen des eigenen Landes. Im Falle Österreich­s wären dies die Neutralitä­t und die EU-Entscheidu­ngen. Meines Erachtens haben die Herren Wimmer und Jenewein gegen beides verstoßen. Wenn man sich öffentlich für „Anerkennun­g des legitimen Charakters“des Krim-Anschlusse­s einsetzt, dann ist das ein Affront nicht nur gegen die europäisch­e, sondern auch gegen Österreich­s Politik der Neutralitä­t.

Vielleicht haben die beiden FP-Politiker als Ziel ein von Russland dominierte­s Europa. Ginge es um russische Politiker, wäre das verständli­ch. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass russisches Diktat und völkerrech­tliche Blindheit im Sinne Europas und Österreich­s wären.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria