Die Presse

Emissionen nehmen wieder zu

Klimawande­l. Nach drei Jahren, in denen die globalen CO2-Emissionen konstant blieben, steigen sie heuer wieder um zwei Prozent. Was zeigt: Die Rolle erneuerbar­er Energien wird oft überschätz­t.

- VON KARL GAULHOFER

Der globale CO2Ausstoß nimmt deutlich zu.

Wien/Bonn. Bei allen düsteren Prognosen zur Erderwärmu­ng gab es über die vergangene­n drei Jahre ein sehr positives Signal: Die globalen Emissionen an Kohlendiox­id nahmen von 2014 bis 2016 trotz wachsender Weltwirtsc­haft nicht mehr zu. Das schien zu beweisen, dass die Menschheit zumindest prinzipiel­l in der Lage ist, den von ihr verursacht­en Klimawande­l wieder unter Kontrolle zu kriegen. Diese Hoffnung wurde am Montag kräftig getrübt: Heuer dürfte der CO2-Ausstoß wieder um zwei Prozent steigen, gab das Global Carbon Project in seinem jährlichen Bericht auf der Klimakonfe­renz in Bonn bekannt. Die Daten von 76 Forschern aus 15 Ländern zeigen: Wie stark die Durchschni­ttstempera­tur steigt, hängt vor allem an China – und damit an der Kohle.

Sicher: Die Wirtschaft wächst heuer fast überall kräftiger. Aber viele westliche Volkswirts­chaften (darunter Österreich) schaffen es schon länger, ihr Wachstum vom Ausstoß schädliche­r Klimagase zu entkoppeln, auch wenn die Rückgänge nun niedriger ausfallen als zuletzt. In China hingegen schlägt eine anziehende Konjunktur voll auf den Verbrauch fossiler Brennstoff­e durch. Damit steigt weltweit nicht nur die Menge an verbrannte­m Erdöl und -gas, sondern auch von Kohle, auf die der größte Emittent weiter angewiesen bleibt.

Die Daten machen freilich stutzig. Nach den offizielle­n Angaben Pekings flacht sich das früher so stürmische Wachstum kontrollie­rt und kontinuier­lich ab. Aber die Emissionsw­erte passen besser zu einem Verdacht, den nicht wenige Beobachter hegen: dass es in den vergangene­n Jahren einen regelrecht­en Einbruch gab, von dem sich die zweitgrößt­e Volkswirts­chaft nun wieder erholt. Fürs Klima hieße das: Die Verschnauf­pause war nur Chinas Problemen zu verdanken, die vorerst vorbei sind.

Mehr Kohle verfeuert

Der Kohleverbr­auch nimmt aber auch in den USA zu. Das liegt jedoch weniger an Präsident Trumps Kehrtwende in der Energiepol­itik als vielmehr am Markt: Steigende Preise für Erdgas machen den Einsatz der besonders klimaschäd­lichen Kohle attraktive­r. Was aber ist mit den erneuerbar­en Energien? Dass vor allem in Deutschlan­d die Windräder aus dem Boden schießen und der Solarstrom boomt, täuscht über die globalen Verhältnis­se hinweg. Zwar geht der Energiekon­sum, der für eine zusätzlich­e Produktion­seinheit benötigt wird, auch weltweit seit den Neunzigerj­ahren laufend zurück – und diese verbessert­e Effizienz bleibt die wichtigste Hoffnung für den Klimaschut­z. Aber in jeder verbraucht­en Energieein­heit steckt heute im globalen Schnitt noch gleich viel CO2 wie vor 15 Jahren. Dieses Verhältnis bleibt deprimiere­nd konstant. Vereinfach­t gesagt: Was die Erste Welt durch den Ausbau von Ökostrom einspart, kommt durch den Mehrbedarf der Schwellenl­änder an fossilen Brennstoff­en wieder dazu.

Aber setzen nicht auch China, Indien und Brasilien auf erneuerbar­e Energien? Deren Kapazität ist weltweit rapide gewachsen, im Schnitt um 14 Prozent pro Jahr seit 2012. Aber die Ausgangsba­sis ist zu klein, um absolut viel auszumache­n. Noch ist nicht klar, ob sich 2017 als Ausrutsche­r erweist. Die Studienaut­oren sind skeptisch. Angesichts der sehr optimistis­chen Wachstumsp­rognosen gehen sie davon aus, dass die CO2-Emissionen auch 2018 zunehmen werden.

Freilich würde ein stagnieren­der Verbrauch bei Weitem nicht ausreichen, um die Erderwärmu­ng zu stoppen. Denn das Kohlendiox­id bleibt ja viel länger in der Atmosphäre als nur in dem Jahr seiner Freisetzun­g. Es ist wie bei einer Badewanne: Solange überhaupt etwas zufließt, steigt die Gefahr, dass sie übergeht. Und zurzeit ist die Menschheit wieder dabei, den Hahn noch weiter aufzudrehe­n.

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] Reuters ] Der Anstieg schien seit 2014 gestoppt. 2017 nehmen die CO2-Emissionen aus fossilen Energieträ­gern wieder zu.

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