Die Presse

Wie Putin und Erdo˘ganyrien neu ordnen wollen

Analyse. Die Präsidente­n Russlands und der Türkei verhandeln über die Zukunft des Bürgerkrie­gslandes. Für Unstimmigk­eiten sorgt die künftige Rolle der Kurden.

- VON WIELAND SCHNEIDER UND JUTTA SOMMERBAUE­R (MOSKAU)

Weit musste der türkische Staatschef, Recep Tayyip Erdogan,˘ nicht reisen, um Russlands Präsidente­n, Wladimir Putin, die Hand zu schütteln. Denn die südrussisc­he Stadt Sotschi liegt näher bei Ankara als bei Moskau. Schon zum zweiten Mal in diesem Jahr trafen die beiden Staatsmänn­er einander gestern im Schwarzmee­rort, fünf Mal haben sie sich bisher 2017 gesehen – was für ein Unterschie­d, verglichen mit 2016. Nach dem Vorjahr, das nach dem Abschuss eines russischen Bombers im November 2015 von einer schweren diplomatis­chen Krise gekennzeic­hnet war, stehen die russisch-türkischen Beziehunge­n wieder auf soliden Beinen. Sie seien „vollständi­g hergestell­t“, sagte Putin vor dem Treffen der beiden in kleiner Runde. In Sotschi besprachen die Präsidente­n die Nachkriegs­ordnung Syriens – und die Frage, wer nun tatsächlic­h eine Einladung für den von Moskau geplanten „Kongress der Völker Syriens“erhalten wird. Denn an den kurdischen Gästen scheiden sich die Geister.

Auch die bilaterale­n Beziehunge­n standen in Sotschi auf der Agenda. Nach dem Abschuss des russischen Flugzeugs 2015 folgte eine monatelang­e Eiszeit. Moskau stellte Pauschalre­isen in die Türkei und gemeinsame wirtschaft­lich-technische Projekte ein und verbot türkisches Obst und Gemüse in den Supermärkt­en. Es war Erdogan,˘ nach einem Putschvers­uch und Anschlägen in Bedrängnis und außenpolit­isch isoliert, der schließlic­h nachgab.

Milliarden­teures Waffengesc­häft

Nach der Versöhnung beider Staatsober­häupter im August 2016 in St. Petersburg fuhr Russland sein Wirtschaft­sembargo Schritt für Schritt zurück. Türkische Zitronen, Orangen, Pfirsiche und Tomaten erfreuen erneut die russischen Konsumente­n. Auch das Technologi­egeschäft kommt in Gang: Zu Monatsbegi­nn verkaufte der staatliche Rüstungsgi­gant Rostec sein Raketenabw­ehrsystem S-400 um zwei Milliarden USDollar an Ankara. Die Türkei ist bereits im laufenden Jahr wieder das, was sie auch in den vergangene­n Jahren (mit Ausnahme von 2016) für Russland war: unangefoch­tenes Urlaubslan­d Nummer eins.

In Syrien standen Russland und die Türkei lange Zeit auf verschiede­nen Seiten der Front. Moskau unterstütz­t den syrischen Machthaber, Bashar al-Assad, mit Luftangrif­fen. Ankara half der Opposition und verlangte den Sturz Assads. Von dieser Forderung ist die türkische Regierung aber offenbar mittlerwei­le abgerückt. Sie nimmt seit Ende 2016 an den von Moskau initiierte­n Verhandlun­gen zu einer Lösung in Syrien teil. Mit dabei ist auch der Iran, neben Russland der zweite wichtige Verbündete Assads.

Zuletzt kursierten Gerüchte über Bestrebung­en, Syrien in Einflusszo­nen aufzuteile­n. Damaskus und andere wichtige Städte würden in der von Russland und dem Iran unterstütz­ten Regimezone liegen, die dank jüngster militärisc­her Erfolge zuletzt immer größer geworden ist. Dazu kommt eine Rebellenzo­ne im Norden, die gleichsam unter dem Schutz der Türkei steht. Türkische Truppen operieren zusammen mit verbündete­n Rebellenei­nheiten in dem Gebiet. Sie drängten zuletzt die Extremiste­n des sogenannte­n Islamische­n Staates (IS) und andere jihadistis­che Gruppen zurück.

Doch zweites wichtiges Ziel der türkischen Militärakt­ion ist, einen Keil in das Gebiet zu treiben, das von kurdischen Kräften kontrollie­rt wird. Die Kurden haben

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