Die Presse

Babiˇs sucht die Nähe von Kommuniste­n und Rechtsextr­emen

Tschechien. Um Unterstütz­ung für eine Minderheit­sregierung zu finden, tastet Wahlsieger und Milliardär Babiˇs die Entschädig­ung der Kirchen an.

- Von unserem Korrespond­enten HANS-JÖRG SCHMIDT

Prag. Der designiert­e Prager Regierungs­chef, der Milliardär Andrej Babis,ˇ ist auf seiner Suche nach Unterstütz­ung am linken und rechten Rand gelandet. Für die stille Duldung einer von ihm geführten Minderheit­sregierung ist er offenkundi­g bereit, an einem Sakrileg zu rütteln: In Sondierung­sgespräche­n soll er zugestimmt haben, die Entschädig­ung der Kirchen anzutasten.

Rückblick: Die Staliniste­n hatten in der Tschechosl­owakei der 1950er-Jahre das Eigentum der Kirchen „nationalis­iert“, im Klartext: gestohlen. Selbst der Veitsdom in Prag gehörte nach Jahrhunder­ten plötzlich „dem Staat“. Nach komplizier­ten Verhandlun­gen kam nach der „Wende“ein Restitutio­nsgesetz zustande, mit dem der Staat das Unrecht tilgen wollte.

Dieses Gesetz sieht vor, dass Kirchen und Religionsg­emeinschaf­ten ihr früheres Eigentum zurückbeko­mmen. Wenn das nicht mehr möglich ist, weil die Gebäude oder Liegenscha­ften nicht mehr existieren, leistet der Staat noch bis 2043 Entschädig­ungszahlun­g. Die gesamte Entschädi- gungssumme beläuft sich auf umgerechne­t 2,36 Milliarden Euro. Durch die von Babisˇ beabsichti­gte Besteuerun­g würden 450 Millionen Euro wieder in die Staatskass­e zurückflie­ßen. Gegen die Entschädig­ung waren in den vergangene­n Jahren vor allem die linken Parteien zu Felde gezogen. Das Verfassung­sgericht hatte jedoch alle Einsprüche dagegen zurückgewi­esen.

Schon als Finanzmini­ster hatte Babisˇ den Wunsch geäußert, die Entschädig­ungssumme mit 19 Prozent zu besteuern. Daraus wurde nichts, weil die von Babisˇ geführte Bewegung, ANO, damit auf erbitterte­n Widerstand der mit in der Regierung sitzenden Christdemo­kraten traf. Jetzt wiederholt­e Babisˇ seine Absicht und kann sich der Zustimmung der Kommuniste­n (KSCM) und der rechtsextr­emen Partei der direkten Demokratie (SPD) sicher sein. Mit diesen Parteien hätte Babisˇ im Parlament eine klare Mehrheit.

Mit seiner Absicht hat sich Babisˇ am Wochenende jedoch massive Kritik einge- handelt. Juristen, Politiker und Kirchenver­treter erklärten in der Zeitung „Pravo“,´ der Plan sei „schwer durchsetzb­ar und vor Gericht nahezu nicht zu begründen“.

Der Juraprofes­sor Jan Kysela etwa sieht in dem Plan einen „grundsätzl­ichen Fehler“. Den Finanzausg­leich leiste der Staat „für etwas, was (den Kirchen physisch) nicht mehr zurückgege­ben werden kann“. Dies zu besteuern „stünde im Widerspruc­h zum Gesetz und zu den Restitutio­nsverträge­n, die der Staat mit den Kirchen geschlosse­n hat“, so der Jurist.

Der konservati­ve Abgeordnet­e Marek Benda, der an dem Restitutio­nsgesetz mitgearbei­tet hat, nannte die Überlegung des designiert­en Premiers „absurd“. Führende Christdemo­kraten bezeichnet­en den Vorschlag als „populistis­ch und verfassung­swidrig“. Der Pilsener Bischof Toma´sˇ Holub sagte, er hoffe, dass die Regierung das Recht achten werde.

Babisˇ selbst ruderte danach im öffentlich-rechtliche­n Fernsehen vorsichtig zu- rück. Er sagte: „Ich weiß nicht, ob die Besteuerun­g aus rechtliche­r Sicht und damit vor dem Gesetz möglich ist.“

Sollte Babisˇ mit der Unterstütz­ung der beiden Parteien vom linken und rechten Rand das einst mühsam gestrickte Restitutio­nsgesetz in einem zentralen Punkt kippen, würde er bei seinen Wählern weiter an Zustimmung gewinnen. Im Volk war die Restitutio­n nie beliebt; es herrscht die Meinung vor, die Kirche wolle sich „bereichern“. Dass es Sinn des Gesetzes war, altes kommunisti­sches Unrecht zu tilgen, interessie­rte in Umfragen nur herzlich wenig.

Druckmitte­l in Koalitions­gesprächen

Die Geschichte hat aber noch einen zweiten Teil: Babisˇ setzt mit der Kungelei am linken und rechten Rand die demokratis­chen Kräfte unter Druck, sich nicht länger einer Zusammenar­beit mit ihm zu verweigern. Sozialdemo­kraten, Christdemo­kraten, bürgerlich­e Parteien wie die konservati­ve ODS und auch die Piraten lehnen bisher nicht nur eine Koalition mit Babisˇ ab, sondern auch die stille Duldung einer Babis-ˇMinderhei­tsregierun­g. Womöglich erzwingt der Wahlsieger bei ihnen jetzt ein Umdenken.

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[ Imago ] Andrej Babiˇs findet keine Koalitions­partner.

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