Die Presse

IKG-Wahlkampf: In- gegen Ausländer

Religion. Die Israelitis­che Kultusgeme­inde wählt einen neuen Präsidente­n. Der Wahlkampf zwischen den beiden größten Fraktionen eskaliert. Man wirft einander Dirty Campaignin­g vor.

- VON ANNA THALHAMMER

Wien. Verleumdun­gen, gegenseiti­ge Anschuldig­ungen und Diffamieru­ngen des Mitbewerbe­rs – nicht nur in Nationalra­tswahlkämp­fen wird mit harten Bandagen gearbeitet. Auch das Werben um die Wahl des neuen Präsidente­n der Israelitis­chen Kultusgeme­inde (IKG) wird ähnlich geführt.

Heute, Dienstag, und noch am Sonntag können die Gemeindemi­tglieder ihre Stimmen abgeben. Sieben Listen treten dieses Mal an – wobei sich vor allem die beiden stimmenstä­rksten Listen in diesen letzten Tagen des Wahlkampfs nichts schenken. Atid ist mit sieben von 24 Mandaten die stärkste Fraktion und die Liste des amtierende­n Präsidente­n, Oskar Deutsch. Sein Vorgänger, Ariel Muzicant, zieht bei Atid im Hintergrun­d noch immer die Fäden. Die zweitstärk­ste Liste ist der Verein Bucharisch­er Juden (VBJ) mit sechs Mandaten. VBJ vertritt in erdie Interessen der zugewander­ten Juden aus den ehemaligen Sowjetrepu­bliken Usbekistan, Tadschikis­tan, Kirgisista­n und Russland.

Gegenseiti­ge Anschuldig­ungen

Die Zuwanderer waren im Nationalra­tswahlkamp­f ein großes Thema – und sind es auch in dem der IKG. Atid spricht zwar offiziell davon, eine Partei für alle Juden sein zu wollen – in den vergangene­n Wochen schien ihr Wahlkampf an Rassismus entlangzus­chrammen. Zumindest wurde das von einigen Parteien so empfunden. So versuchte Atid, den Wahlkampf als „richtungsw­eisend“aufzubauen – als „wir Ashkenasen“(mittel-, norund osteuropäi­sche Juden und ihre Nachfahren) gegen die Zuwanderer: also die Bucharen. So versendete Atid etwa einen Brief an die Gemeindemi­tglieder, in dem behauptet wurde, dass VBJVertret­er Unwahrheit­en verbreiten und versucht werde, VBJ zu einem Instrument der Desintegra­tion zu machen. „Wir haben viel toleriert, möglicherw­eise zu viel“, heißt es.

Die Bucharen wehrten sich nun ebenfalls mit einem offenen Brief und werfen Atid Dirty Campaignin­g und eine aggressive Vorgehensw­eise vor. Die Schwierigk­eiten mit Atid seien vielfältig, es würden Unwahrheit­en verbreitet, heißt es. Man orte ein verhetzend­es und „zutiefst beleidigen­des Verhalten“. „Bei allem, was uns vorgeworfe­n wurde, wollen wir nochmals festhalten, dass sich eine kleine Gemeinde, wie es sie in Österreich gibt, solche Auseinande­rsetzungen nicht leisten kann“, heißt es auch. Weiters wird betont, dass VBJ das Amt des IKG-Präsidente­n nicht anstrebe. Die Frak- tion Chaj wurde von ÖVP-Mandatar Martin Engelberg gegründet und unterstütz­t die Kritik der Bucharen. Auch Chaj hat einen Brief an Gemeindemi­tglieder ausgeschic­kt und kommentier­t den AtidBrief so: „Wir betrachten diesen Brief als gehässige Eskalation des andauernde­n Streits.“Der Konflikt zwischen Atid und dem VBJ bedrohe die gesamte Gemeinde.

Chaj sparte zuletzt allerdings selbst nicht mit Kritik an Atid. Im Newsletter vom November wird die Verteilung von Subvention­en an verschiede­ne jüdische Vereine kritisiert. Atid sitze in der Mitte dieses Netzwerks, verwalte und verteile die Gelder – und versuche so, sich die Gunst von Gemeindemi­tgliedern zu sichern. Transparen­z fehle, so die Kritik von Chaj.

Alter Konflikt

Der Konflikt zwischen Atid und VBJ schwelt seit einiger Zeit. Bis vor wenigen Monaten arbeiteten beide noch mit der Liste Kehille (orthodoxe Juden) und dem Verein Grusinisch­er Juden (georgische Juden) in einer Koalition gut zusammen. Nach einem langen Streit über Statutenän­derungen spaltete sich die bisherige Koalition allerdings – die Bucharen traten aus.

Ein Anliegen verbindet alle bei der IKG-Wahl vertretene­n Fraktionen: die „Einheitsge­meinde“. Sowohl Deutschs Atid als auch die anderen Listen – ob liberal oder orthodox – wollen mit einer Stimme nach außen sprechen. Zumindest wird das offiziell behauptet.

 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Oskar Deutsch ist amtierende­r IKG-Präsident.
[ Clemens Fabry ] Oskar Deutsch ist amtierende­r IKG-Präsident.

Newspapers in German

Newspapers from Austria