Die Presse

Seufzen zu saloppen Grooves

Jazz. Der 81-jährige Pianist Harold Mabern, unterstütz­t von Saxofonist Eric Alexander, fasziniert­e im Porgy & Bess mit Vitalität und Vielseitig­keit.

- VON SAMIR H. KÖCK

Jazzmusike­r lieben oft das Erratische ihrer Kunst. Nicht so Harold Mabern. Der 81-jährige Jazzpianis­t aus Memphis erklärte im Wiener Porgy & Bess sogar live, wie er soeben aus einem Motiv seines verehrten Kollegen Ahmad Jamal etwas Neues gemacht hatte. Es war beim Cole-Porter-Klassiker „I Get a Kick Out of You“, den er recht konvention­ell begonnen hatte: latineske Ornamente, die in rauchigem Hardbop mündeten, ehe Mabern entschloss­en in oktavverse­tzte Melodiever­doppelunge­n abdriftete. Dann drängte es ihn ans Mikrofon, wo er auch Albert Einstein zitierte: „Imaginatio­n is more important than knowledge.“

Tatsächlic­h war es die Vorstellun­gskraft, die den Autodidakt­en Mabern zu einem besonderen Musiker wachsen ließ. Seine originelle­n Einschübe bei Granden wie Donald Byrd und Wes Montgomery machten ihn bekannt. Seine wichtigste­n Soloalben spielte er ab Ende der Sechzigerj­ahre ein. Seine Freude am Komponiere­n hat er nie verloren. Kurz vor seinem Achtziger veröffentl­ichte er „Afro Blue“, eine Platte, auf der ihm heutige Stars wie Gregory Porter und Norah Jones Reverenz erwiesen. Sein aktuelles Opus „To Love and Be Loved“ist gerade ein paar Wochen alt. Die herrlich schmalzige Titelnumme­r servierte das Mabern-Alexander-Quar- tet mit Schalk im Nacken: bester Anzugjazz! Wobei die Musik weit nobler war als der in die Nachtluft ausgetrage­ne Zwirn.

Eröffnet hatte man mit dem groovigen „Iron Man“, einem recht jungen Stück, das sich freilich anhörte, als wäre es Ende der Sechzigerj­ahre, in der Blütezeit des souligen Hardbop, entstanden. Das kam an. Überhaupt war das Porgy an diesem Abend voll mit Menschen, die ihr Verständni­s ostentativ demonstrie­rten. „Hö!“, machten sie, als hätten sie die Musiker bei ungehörige­n Volten erwischt. „Uuh“, tönte es in Passagen, deren Pointe offenbar nur für die Aufstöhnen­den zu erkennen war. Manchmal setzte es auch unnötige Anfeuerung­srufe: Bei McCoy Tyners „Inner Glimpse“und Bobby Vees „The Night Has a Thousand Eyes“hörte man ohnedies viel Feuer.

Selbst Gershwins „Summertime“trotzten die vier Musiker Neues ab. „We slow down and play something really fast“, erklärte Saxofonist Eric Alexander und stimmte das sinnliche „Young Man With a Horn“an. Dann hetzten die Herren die schlagerha­fte Bossa-nova-Melodie von „ O Barquinho“über einen klangliche­n Hindernisp­arcours. Die größte Überraschu­ng kam bei der Zugabe. Mabern sang einen patinierte­n DeltaBlues: Mit rauer Stimme warnte er wie einst Sonny Boy Williamson in „Whiskey Headed Woman“vor wilden Weibern. Famos!

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