Die Presse

Behörde fordert Wahlrechts­reform

Auszählung. Die steirische Wahlabteil­ung fordert, dass alle Stimmen am Wahltag ausgewerte­t werden – in den Gemeinden. Innenminis­terium will auf Entscheidu­ng des Parlaments warten.

- VON PHILIPP AICHINGER

Auszählung. Nach geschlagen­er Nationalra­tswahl wächst der Druck für eine Wahlrechts­reform. Ein Reformplan der steirische­n Wahlabteil­ung sieht vor, dass künftig schon am Wahlabend klar sein soll, welche Partei wie viele Stimmen bekommen hat.

Statt der Bezirks- oder Landeswahl­behörden sollen die Gemeinden selbst die Stimmen ihrer Wahlkarten­wähler auszählen. Und nicht wie bisher erst am Montag bzw. Donnerstag nach der Wahl, sondern bereits am Sonntag. Das neue Prozedere soll auch dafür sorgen, dass Gemeindeer­gebnisse nicht mehr verzerrt dargestell­t werden, weil Wahlkarten­stimmen nur von der übergeordn­eten Behörde ausgezählt und nicht der konkreten Gemeinde zugeordnet werden. Abgeschaff­t werden soll zur Vereinfach­ung die Möglichkei­t, mit Wahlkarte außerhalb der eigenen Gemeinde zu wählen.

Wien. Als am 15. Oktober das Ergebnis der obersteiri­schen Gemeinde Niederwölz gemeldet wird, macht man nicht nur in der Landeswahl­behörde in Graz große Augen. Auch in Wien beschließt man, nachzufrag­en, was da auf der anderen Seite des Semmerings gerade passiert. Denn laut dem Ergebnis der Nationalra­tswahl betrug die Wahlbeteil­igung in Niederwölz nicht einmal 33 Prozent. Aber das Ergebnis ist korrekt und doch wieder nicht. Es ist der Ausfluss eines Wahlrechts, das nach Ansicht der steirische­n Wahlbehörd­e nach einer Reform schreit.

„Da hat mich das Innenminis­terium angerufen“, erinnert sich Wolfgang Wlattnig, Leiter der für Wahlen zuständige­n Abteilung 7 im Amt der Steiermärk­ischen Landesregi­erung an den Fall Niederwölz. Doch es stellt sich heraus, dass in dem Ort am Wahltag ein Fest stattfinde­t, das die Leute mehr interessie­rt als die Wahlurnen, die auch nur kurz in der Früh geöffnet sind. Viele Niederwölz­er haben deswegen ohnedies bereits per Brief gewählt. Doch die Briefwahls­timmen sind laut Gesetz erst am Montag nach der eigentlich­en Wahl auszuzähle­n. Und sie werden auch nicht mehr der Gemeinde zugezählt, von der sie kamen, sondern nur mehr von der übergelage­rten Bezirkswah­lbehörde ausgewerte­t.

Wie viele Niederwölz­er also wirklich gewählt haben und welche Parteien, das weiß bis heute keiner so recht. Nun mag die 600-SeelenGeme­inde ein Problem für politische Feinschmec­ker darstellen. Doch die Gemeindeer­gebnisse sind durch die bestehende Regelung bundesweit verfälscht. Und ganz Österreich wusste auch am Wahltag noch nicht genau, welche Partei wie viele Prozente gemacht hat.

Wahlkarten einschränk­en

800.000 Wahlkarten konnten von Gesetzes wegen noch nicht gezählt werden. Ein Teil davon durfte sogar erst am Donnerstag nach der Wahl ausgewerte­t werden. Es handelt sich dabei um die Stimmen jener Wahlkarten­wähler, die nicht per Brief votierten, sondern ihre Stimme an der Urne in einem fremden Regionalwa­hlkreis abgaben. Diese Stimmen mussten zur Auszählung erst an die zuständige Landeswahl­behörde geschickt werden.

Dabei wäre dieses komplizier­te Prozedere nicht nötig, meint Wlattnig, der mit seiner Abteilung einen Reformplan ausgearbei­tet hat. Diesen habe man auch schon dem Innenminis­terium übermittel­t, sagt Wlattnig. Er will, dass die Briefwahls­timmen künftig direkt an die Gemeinden gehen und von diesen noch am Wahlsonnta­g ausgezählt werden. Eine ähnliche Idee hatte zuletzt auch der Wahlrechts­experte Klaus Poier von der Uni Graz präsentier­t („Die Presse“berichtete). Wobei er seinen Reformplan unabhängig von Poiers Ideen entwickelt habe, betont der Abteilungs­chef.

Das Wählen mit der Wahlkarte an der Urne am Sonntag will Wlattnig nur noch innerhalb derselben Gemeinde erlauben, damit die Überstellu­ng entfällt. Als Ausgleich solle es bundesweit einen vorgezogen­en Wahltag geben (neun Tage vor dem eigentlich­en Wahltag, an einem Freitag), an dem Bürger ihre Stimme in ausgewählt­en Lokalen an der Urne abgeben können. Solche vorgezogen­en Wahltage gibt es in der Steiermark und dem Burgenland bereits auf regionaler Ebene. Und dadurch könne man die Zahl der Wahlkarten­wähler halbieren, berichtet Wlattnig im Gespräch mit der „Presse“.

Endergebni­s bis 22 Uhr?

Am Sonntag sollen also alle Stimmen in der Gemeinde sein, die sie auszählt. Und bis wann wird es dann ein österreich­weites Endergebni­s geben? „Ich hoffe, dass dieses bis spätestens 22 Uhr, rechtzeiti­g zur „ZiB 2“, möglich sein wird, meint der Wahlbehörd­enleiter. Vieles werde von den beiden größten Städten, Graz und Wien, abhängen, meint der Steirer, der gegenüber den Wahlbehörd­en der anderen Länder für seine Idee werben will.

Zumindest gegenüber den Wiener Kollegen wird Wlattnig dabei noch einige Fragen zu klären haben. So gebe es in Wien zwar keinen vorgezogen­en Wahltag, aber schon jetzt über Wochen hinweg die Möglichkei­t, gleich bei Abholung der Wahlkarte an der Urne zu votieren, sagt Christine Bachofner, Leiterin der MA 62. Wenn man mit Wahlkarten nicht mehr in einem fremden Wahlkreis wählen dürfe, sei das zudem eine Einschränk­ung des bestehende­n Serviceang­ebots, gibt sie zu bedenken. Und dann bleibe die Frage, wer in Wien die vielen Wahlkarten auszählen solle, da es hier keine Gemeindewa­hlbehörde gebe, sondern 1495 Sprengel- sowie die 23 Bezirkswah­lbehörden.

Am Ende bleibe es aber eine politische Entscheidu­ng, so Bachofner. Auch seitens des Innenminis­teriums erklärte man am Montag, dass man der falsche Adressat für die Vorschläge aus der Steiermark sei. „Denn das Wahlrecht ist ein Herzstück des Parlaments“, meinte ein Ministeriu­mssprecher. Eine Initiative für eine Reform könne also nur von den Abgeordnet­en selbst kommen.

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[ APA ] Wahlkarten­wähler sollen laut dem Reformplan zurückgedr­ängt und dafür ein österreich­weiter Vorwahltag eingeführt werden.

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