Behörde fordert Wahlrechtsreform
Auszählung. Die steirische Wahlabteilung fordert, dass alle Stimmen am Wahltag ausgewertet werden – in den Gemeinden. Innenministerium will auf Entscheidung des Parlaments warten.
Auszählung. Nach geschlagener Nationalratswahl wächst der Druck für eine Wahlrechtsreform. Ein Reformplan der steirischen Wahlabteilung sieht vor, dass künftig schon am Wahlabend klar sein soll, welche Partei wie viele Stimmen bekommen hat.
Statt der Bezirks- oder Landeswahlbehörden sollen die Gemeinden selbst die Stimmen ihrer Wahlkartenwähler auszählen. Und nicht wie bisher erst am Montag bzw. Donnerstag nach der Wahl, sondern bereits am Sonntag. Das neue Prozedere soll auch dafür sorgen, dass Gemeindeergebnisse nicht mehr verzerrt dargestellt werden, weil Wahlkartenstimmen nur von der übergeordneten Behörde ausgezählt und nicht der konkreten Gemeinde zugeordnet werden. Abgeschafft werden soll zur Vereinfachung die Möglichkeit, mit Wahlkarte außerhalb der eigenen Gemeinde zu wählen.
Wien. Als am 15. Oktober das Ergebnis der obersteirischen Gemeinde Niederwölz gemeldet wird, macht man nicht nur in der Landeswahlbehörde in Graz große Augen. Auch in Wien beschließt man, nachzufragen, was da auf der anderen Seite des Semmerings gerade passiert. Denn laut dem Ergebnis der Nationalratswahl betrug die Wahlbeteiligung in Niederwölz nicht einmal 33 Prozent. Aber das Ergebnis ist korrekt und doch wieder nicht. Es ist der Ausfluss eines Wahlrechts, das nach Ansicht der steirischen Wahlbehörde nach einer Reform schreit.
„Da hat mich das Innenministerium angerufen“, erinnert sich Wolfgang Wlattnig, Leiter der für Wahlen zuständigen Abteilung 7 im Amt der Steiermärkischen Landesregierung an den Fall Niederwölz. Doch es stellt sich heraus, dass in dem Ort am Wahltag ein Fest stattfindet, das die Leute mehr interessiert als die Wahlurnen, die auch nur kurz in der Früh geöffnet sind. Viele Niederwölzer haben deswegen ohnedies bereits per Brief gewählt. Doch die Briefwahlstimmen sind laut Gesetz erst am Montag nach der eigentlichen Wahl auszuzählen. Und sie werden auch nicht mehr der Gemeinde zugezählt, von der sie kamen, sondern nur mehr von der übergelagerten Bezirkswahlbehörde ausgewertet.
Wie viele Niederwölzer also wirklich gewählt haben und welche Parteien, das weiß bis heute keiner so recht. Nun mag die 600-SeelenGemeinde ein Problem für politische Feinschmecker darstellen. Doch die Gemeindeergebnisse sind durch die bestehende Regelung bundesweit verfälscht. Und ganz Österreich wusste auch am Wahltag noch nicht genau, welche Partei wie viele Prozente gemacht hat.
Wahlkarten einschränken
800.000 Wahlkarten konnten von Gesetzes wegen noch nicht gezählt werden. Ein Teil davon durfte sogar erst am Donnerstag nach der Wahl ausgewertet werden. Es handelt sich dabei um die Stimmen jener Wahlkartenwähler, die nicht per Brief votierten, sondern ihre Stimme an der Urne in einem fremden Regionalwahlkreis abgaben. Diese Stimmen mussten zur Auszählung erst an die zuständige Landeswahlbehörde geschickt werden.
Dabei wäre dieses komplizierte Prozedere nicht nötig, meint Wlattnig, der mit seiner Abteilung einen Reformplan ausgearbeitet hat. Diesen habe man auch schon dem Innenministerium übermittelt, sagt Wlattnig. Er will, dass die Briefwahlstimmen künftig direkt an die Gemeinden gehen und von diesen noch am Wahlsonntag ausgezählt werden. Eine ähnliche Idee hatte zuletzt auch der Wahlrechtsexperte Klaus Poier von der Uni Graz präsentiert („Die Presse“berichtete). Wobei er seinen Reformplan unabhängig von Poiers Ideen entwickelt habe, betont der Abteilungschef.
Das Wählen mit der Wahlkarte an der Urne am Sonntag will Wlattnig nur noch innerhalb derselben Gemeinde erlauben, damit die Überstellung entfällt. Als Ausgleich solle es bundesweit einen vorgezogenen Wahltag geben (neun Tage vor dem eigentlichen Wahltag, an einem Freitag), an dem Bürger ihre Stimme in ausgewählten Lokalen an der Urne abgeben können. Solche vorgezogenen Wahltage gibt es in der Steiermark und dem Burgenland bereits auf regionaler Ebene. Und dadurch könne man die Zahl der Wahlkartenwähler halbieren, berichtet Wlattnig im Gespräch mit der „Presse“.
Endergebnis bis 22 Uhr?
Am Sonntag sollen also alle Stimmen in der Gemeinde sein, die sie auszählt. Und bis wann wird es dann ein österreichweites Endergebnis geben? „Ich hoffe, dass dieses bis spätestens 22 Uhr, rechtzeitig zur „ZiB 2“, möglich sein wird, meint der Wahlbehördenleiter. Vieles werde von den beiden größten Städten, Graz und Wien, abhängen, meint der Steirer, der gegenüber den Wahlbehörden der anderen Länder für seine Idee werben will.
Zumindest gegenüber den Wiener Kollegen wird Wlattnig dabei noch einige Fragen zu klären haben. So gebe es in Wien zwar keinen vorgezogenen Wahltag, aber schon jetzt über Wochen hinweg die Möglichkeit, gleich bei Abholung der Wahlkarte an der Urne zu votieren, sagt Christine Bachofner, Leiterin der MA 62. Wenn man mit Wahlkarten nicht mehr in einem fremden Wahlkreis wählen dürfe, sei das zudem eine Einschränkung des bestehenden Serviceangebots, gibt sie zu bedenken. Und dann bleibe die Frage, wer in Wien die vielen Wahlkarten auszählen solle, da es hier keine Gemeindewahlbehörde gebe, sondern 1495 Sprengel- sowie die 23 Bezirkswahlbehörden.
Am Ende bleibe es aber eine politische Entscheidung, so Bachofner. Auch seitens des Innenministeriums erklärte man am Montag, dass man der falsche Adressat für die Vorschläge aus der Steiermark sei. „Denn das Wahlrecht ist ein Herzstück des Parlaments“, meinte ein Ministeriumssprecher. Eine Initiative für eine Reform könne also nur von den Abgeordneten selbst kommen.