Erster Schritt zur Verteidigungsunion
Analyse. Der „Meilenstein“zur Verteidigungsunion, der am Montag unterzeichnet wurde, ist in Wahrheit nur eine Kooperation im Beschaffungswesen. Operativ gibt es keine Neuerungen.
EU. 23 EU-Staaten, darunter Österreich, haben am Montag in Brüssel feierlich die „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“in Militärfragen (Pesco) aus der Taufe gehoben. Sie soll die EU unabhängiger von den USA machen und zu einer engen Kooperation bei Rüstungsprojekten führen. Vom „Meilenstein“bis zum „großen Tag für Europa“und einem „historischen Moment“zeigten sich der Großteil der EU-Außen- und Verteidigungsminister über den großen Schritt in Richtung Verteidigungsunion begeistert.
Die Kooperation betrifft allerdings nur die Beschaffung und die Ausbildung der Militärs. Sie schreibt keine operative Zusammenarbeit fest. Pesco schafft lediglich die materiellen Voraussetzungen für eine spätere Verteidigungsunion, wie sie von Frankreichs Präsident, Emmanuel Macron, angestrebt wird.
Brüssel/Wien. Deutschland Außenminister, Sigmar Gabriel (SPD), sprach von einem „Meilenstein“. 23 EU-Länder, darunter Österreich, haben sich am Montag darauf verständigt, in der Sicherheitspolitik künftig enger zusammenzuarbeiten. Die mit dem sperrigen Namen „Permanent Structured Cooperation“(Pesco) versehene Kooperation ist allerdings nur ein erster, kleiner Schritt zu einer von Frankreichs Präsident, Emmanuel Macron, eingeforderten Verteidigungsunion.
Die teilnehmenden Länder (alle EU-Staaten außer Großbritannien, Dänemark, Irland, Malta und Portugal) verpflichten sich darin, ihre Verteidigungsausgaben regelmäßig zu steigern, um Kapazitätslücken zu schließen. Zudem haben sie versichert, dass sie weiterhin EU-Einsätze in Drittstaaten mit Truppen und Material versorgen. Einen Sanktionsmechanismus bei Nichterfüllung dieser Pflichten gibt es allerdings nicht.
Pesco hat vorerst vor allem den Sinn, die Beschaffung der teilnehmenden Militärs effizienter zu gestalten und die europäische Rüstungsindustrie zu stärken. Gemeinsam soll in militärische Forschungsprojekte investiert werden, um auch bei der Entwicklung von neuen Waffen von globalen Playern wie den USA unabhängig zu werden. Außerdem sind Projekte zur Ausbildung und zur Erhöhung der operativen Einsatzbereitschaft geplant. Die Zahl von derzeit fast 180 unterschiedlichen Waffensystemen in der EU soll verringert werden, was Einsparungen und eine vereinfachte Zusammenarbeit ermöglichen soll.
Operativ, das heißt etwa in Form gemeinsamer Verteidigungsmaßnahmen, wird sich durch Pesco nichts ändern. Auch an den Aufbau einer gemeinsamen Armee ist in dieser strukturellen Zusammenarbeit vorerst nicht gedacht. Mitgliedstaaten werden weiterhin freiwillig an streng begrenzten internationalen Einsätzen – wie beispielsweise am Horn von Afrika – mitwirken. „Es handelt sich um einen Fortschritt, aber noch nicht um einen entscheidenden Fortschritt“, analysiert der langjährige Leiter des EU-Militärstabs, Wolf- gang Wosolsobe, im Gespräch mit der „Presse“. „Die Ziele wurden vage formuliert, um eine möglichst breite Teilnahme zu sichern.“
Die Verpflichtungen konzentrieren sich rein auf militärische Kapazitäten. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) konnte denn auch nach der Unterzeichnung von Pesco in Brüssel versichern, dass diese Kooperation „nicht an der Neutralität rüttelt“.
Vorerst mehr investieren
Pesco soll die Voraussetzung für eine stärkere und eigenständigere europäische Verteidigung aller Mitgliedstaaten schaffen. „Wenn wir gemeinsam europäisch investieren wollen, dann wird es am Anfang eine Anstrengung kosten“, sagte die deutsche Verteidigungsministerin, Ursula von der Leyen (CDU). Auf Dauer werde diese gegenseitige Abstimmung aber „kosteneffizienter“sein. Von der Leyen schloss aus, dass durch Pesco eine Parallelstruktur zur Nato entstehen wird.
Das Beschaffungswesen der EU-Mitgliedstaaten sollte eigentlich schon seit dem Lissabon-Vertrag die Europäische Verteidigungsagentur EDA koordinieren. Auch sie hat das Ziel, die Rüstungsindustrie der EU-Staaten zu stärken und die technische Kooperation der nationalen Armeen zu erleichtern. Pesco dürfte dieses Vorhaben nun mit Leben erfüllen. Für Frankreichs Staatspräsidenten Macron, der mit in seinem im September präsentierten Europaprogramm eine enge Kooperation der nationalen Armeen bis hin zu gemeinsamen operativen Aufgaben anstrebt, dürfte diese Vereinbarung lediglich einen Zwischenschritt darstellen.