Kerns „Plan O“für die Opposition
Reformen. Die SPÖ steht vor einer inhaltlichen Neuausrichtung und einem harten Sparkurs. Thomas Drozda könnte Bundesgeschäftsführer werden – oder Klubobmann.
Wien. Zuletzt wirkte Christian Kern noch hinund hergerissen zwischen seiner alten Rolle als Kanzler und seiner mutmaßlich neuen als Oppositionsführer. Mittlerweile aber dürfte er sich mit dem Abschied aus dem Kanzleramt abgefunden haben, zumal er am Dienstag bereits von einer Rückkehr sprach.
Er werde versuchen, die SPÖ wieder zur Nummer eins zu machen, sagte der NochBundeskanzler nach der zweitägigen Klausur des Parteipräsidiums im Gartenhotel Altmannsdorf. Einige Punkte aus dem Oppositionsplan der SPÖ nahm er vorweg, andere zeichneten sich am Rande der Klausur ab.
1 Die Inhalte: „Partei der progressiven Mitte“mit einer Kampfansage an die Grünen
Die SPÖ will in der Opposition ihre Kontrollfunktion wahrnehmen, sich aber auch „der eigenen politischen Fundamente besinnen“, die zuletzt – in ganz Europa – ins Wanken geraten sind. Mehr Stadt (Michael Häupl) oder mehr Land, weiter nach links oder mehr in die Mitte rücken (Hans Peter Doskozil) sei aber nicht die Frage: Wer so denke, befinde sich auf dem Holzweg, meint Kern. Das eine schließe das andere nämlich nicht aus, sondern ein, wenn man – wie die SPÖ – 95 Prozent der Menschen erreichen wolle.
Wer die restlichen fünf Prozent sind, blieb ein Geheimnis. Kern sagte nur: Die SPÖ werde eine Partei der progressiven Mitte bleiben. Allerdings mit Bonus-Angeboten für Anhänger der Grünen. Nicht ganz zufällig zählt der Bundeskanzler neben der Digitalisierung und der Globalisierung neuerdings auch den Klimawandel zu den großen politischen Herausforderungen der Zukunft.
Bis zu einem Reformparteitag im Oktober 2018 wird die SPÖ ihr Programm überarbeiten. Wobei es Kern, der dann erneut für den Parteivorsitz kandidieren möchte, nicht nur um das Ergebnis geht, sondern auch um den Prozess. Öffnung lautet das Stichwort, angelehnt an Bruno Kreisky: Man wolle viele Menschen einladen, am Programm mitzuarbeiten, auch Fachleute und Experten.
2 Die Personen: Kern statt Gusenbauer – und Drozda anstelle von Schieder?
Organisatorisch zieht die SPÖ die Lehren aus einem Wahlkampf, in dem Kanzleramt, Parteizentrale und Parlamentsklub nicht immer miteinander kooperiert haben. Das will der SPÖ-Chef ändern, indem er sich an die Spitze aller Parteiteile stellt. Präsident der Parteiakademie, des Renner-Instituts, ist seit Dienstag: Christian Kern. Das SPÖ-Präsidium hat der Ablöse von Alfred Gusenbauer zugestimmt. Mit dessen internationalen Geschäften (Stichwort Malta) und Geschäftspartnern (Stichwort Tal Silberstein) habe das aber nichts zu tun, versicherte sein Nachfolger. Den Klub hat Kern bereits in der Vorwoche übernommen. Andreas Schieder ist jetzt nur noch geschäftsführender Klubobmann.
Bleibt die Bundesgeschäftsstelle, die interimistisch von Christoph Matznetter und Andrea Brunner geleitet wird. Dass die beiden im Amt bleiben, ist nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich. „Sobald die neue Regierung steht“, will Kern eine Entscheidung treffen. Dabei hängt sie nicht an SchwarzBlau, sondern an Wien. Sollte Andreas Schieder im Jänner ins Rennen um die MichaelHäupl-Nachfolge gehen, würde Kanzleramtsminister Thomas Drozda, der von Kern eigentlich schon als Bundesgeschäftsführer vorgesehen war, dessen Rolle übernehmen.
3 Die Finanzen: Die SPÖ will wieder schuldenfrei sein – im Jahr 2022
Laut dem Politikwissenschaftler Hubert Sickinger, einem Experten für Parteienfinanzie- rung, steht keine Partei finanziell so schlecht da wie die SPÖ. Anfang des Jahres schätzte er ihren Schuldenstand auf 14 Millionen Euro. Allerdings war diese Überschlagsrechnung noch ohne Zinsen – inklusive wären es wohl 18 bis 23 Millionen Euro. Dazu kommen die Ausgaben für den Nationalratswahlkampf, die laut Gesetz höchstens sieben Millionen Euro betragen dürfen. Kern wollte sich zum Schuldenstand nicht äußern. Nur so viel: Bis 2022 wolle die SPÖ wieder schuldenfrei sein.
4 Die Landtagswahlen: Kärnten darf nächstes Jahr auf keinen Fall verloren gehen
In die Umbruchphase der SPÖ fallen – ausgerechnet – vier Landtagswahlen: in Niederösterreich (28. Jänner), Tirol (25. Februar), Kärnten (4. März) und Salzburg (22. April). Sollte sich Sebastian Kurz bis dorthin keinen Patzer leisten, könnte die Nationalratswahl in die Länder nachwirken. Damit spekulieren zumindest die ÖVP-Landeshauptleute in Niederösterreich, Tirol und Salzburg. Andererseits hat die SPÖ dort nicht viel zu verlieren. In Kärnten, wo man mit Peter Kaiser den Landeshauptmann stellt, ist das anders. Am 15. Oktober fiel die SPÖ auf Platz zwei hinter die Freiheitlichen zurück – und ist alarmiert. Sollte Kärnten verloren gehen, blieben nur noch zwei Länder übrig, die von der SPÖ geführt werden: Wien und das Burgenland.