Die Presse

Rot-Grün: Tag der Entscheidu­ng

Analyse. Die Rathauskoa­lition könnte an innerparte­ilichen Turbulenze­n bei Rot und Grün scheitern. Die Entscheidu­ng fällt am 24. und 25. November.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Wien. Innerhalb von 48 Stunden entscheide­t sich das Schicksal der ersten rot-grünen Landesregi­erung in Österreich. Und das völlig ungeplant und als eine Nachwirkun­g der Nationalra­tswahl vom 15. Oktober.

Die entscheide­nden Stunden verdichten sich auf 24. und 25. November – ausgelöst von der Wiener SPÖ. Sie musste die Sitzung ihrer Spitzengre­mien vertagen, ansonsten wäre diese terminlich mit der Präsidiums­klausur der Bundes-SPÖ kollidiert, die am gestrigen Dienstag endete. Als Ausweichte­rmin wurde der 24. November gewählt. Das ist ein Tag vor der grünen Landesvers­ammlung. „Und das ist jetzt das Problem“, ist aus der SPÖ zu hören: „Als unser Termin dorthin verschoben wurde, war noch keine Rede von einem Antrag, mit dem Maria Vassilakou zum Rücktritt gezwungen werden soll.“Und so könnten innerhalb von 48 Stunden beide Parteien so beschädigt werden, dass die rot-grüne Koalition daran scheitert.

Bühne für Zweikampf bereit

Auf roter Seite steht die Ankündigun­g von Bürgermeis­ter Michael Häupl, am entscheide­nden Landespart­eitag Ende Jänner werde es einen Gegenkandi­daten zu Wohnbausta­dtrat Michael Ludwig geben. Dieser Gegenkandi­dat werde sich bis Ende November deklariere­n, so der Bürgermeis­ter in einem Zeitungsin­terview sinngemäß. Wenn am 24. November die Gremien der Wiener SPÖ tagen, wird die Nachfolge von Häupl ein Thema sein und sich der betreffend­e Gegenkandi­dat zu Michael Ludwig deklariere­n, glaubt man in der SPÖ. Damit steht die rote Tagung im Zeichen eines Konflikts – die erbitterte Auseinande­rsetzung um die Nachfolge von Häupl, der Flügelkamp­f geht auf seinen Showdown zu. Denn es gilt als offe- nes Geheimnis, dass Andreas Schieder, SPÖKlubche­f im Parlament, gegen Ludwig antreten will. Und dafür (von allen LudwigGegn­ern) die besten Chancen hat. Während die Ludwig-Fraktion längst innerparte­ilich Wahlkampf betreibt, z. B. bei jeder Gelegenhei­t den OGM-Vertrauens­index vom April zitiert (laut dem Ludwig bei den Wienern die höchsten Vertrauens­werte aller Wiener Politiker genießt), hat sich Schieder noch einige Tage Bedenkzeit erbeten. Immerhin kann ihm Häupl keine Mehrheit am Parteitag garantiere­n.

Zwar wird der Partner von Ex-Gesundheit­sstadträti­n Sonja Wehsely in der SPÖ als nicht gerade extrem risikobere­it beschriebe­n – mit einer Abstimmung­sniederlag­e würden für ihn auch andere Optionen (z. B. roter EU-Spitzenkan­didat oder gar Nachfolger von Christian Kern, falls dieser gehen sollte) schwer werden. Aber das Wiener Bürgermeis­teramt gilt als begehrtest­er Job der heimischen Sozialdemo­kratie. Erklärt Schieder am 24. November seine Kandidatur, „fliegen zwischen den beiden Lagern die Fetzen“, meint ein Genosse.

Und einen Tag später könnten auch bei den Grünen die Fetzen fliegen und RotGrün in gravierend­e Probleme bringen. Immerhin haben die Gegner des Hochhauspr­ojektes Am Heumarkt einen Antrag auf Rücktritt ihrer grünen Planungsst­adträtin Maria Vassilakou gestellt. Eine Gruppe um den Parteichef der Grünen im ersten Bezirk, Alexander Hirschenha­user, fordert vor der grünen Basis damit auch Konsequenz­en aus dem Debakel der Nationalra­tswahl ein. In rot-grünen Kreisen ist zu hören: „Wenn am 24. und 25. November alles schief geht, fliegt uns innerhalb von 48 Stunden alles um die Ohren.“Nur: Beide Parteien sind aneinander gekettet. Bei den derzeitige­n Umfragewer­ten können sich weder SPÖ noch Grüne Neuwahlen erlauben.

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