Die Presse

Der größte Ölboom steht uns noch bevor

Die Internatio­nale Energieage­ntur sieht die USA als neue Macht im Öl- und Gasgeschäf­t. Im Rest der Welt heben die erneuerbar­en Energieträ­ger ab. Wie schnell, entscheide­t Peking.

- VON MATTHIAS AUER

Wien. Das Ende von „Big Oil“wird noch eine Weile auf sich warten lassen. Obwohl die Menschheit in den kommenden Jahrzehnte­n einen Großteil ihrer Investitio­nen in den Stromsekto­r für Erneuerbar­e ausgeben wird, dürfte zeitgleich der größte Öl- und Gasboom der Geschichte stattfinde­n, erwartet die Internatio­nale Energieage­ntur (IEA) in ihrem aktuellen „World Energy Outlook 2017“. Bis 2025 werden die Vereinigte­n Staaten um acht Millionen Fass Öl und Gas mehr aus ihrem Schieferge­stein pressen können als 2010. Damit hängen die USA sowohl Saudiarabi­en (Öl) als auch die frühere Sowjetunio­n (Gas) als bisherige Wachstumsr­ekordhalte­r ab. Amerika steige vom größten Ölabnehmer der Welt zum „unumstritt­enen Führer“im Öl- und Gasgeschäf­t auf, sagt IEADirekto­r Fatih Birol. Erdgas entwickle sich ohnedies gerade zum Energieträ­ger der Zukunft. Aber es sei auch „viel zu früh, den Nachruf auf Öl zu verfassen“. Bis 2040 werde der Bedarf nach dem fossilen Brennstoff stetig steigen. 80 Prozent des notwendige­n Wachstums steuern aller Voraussich­t nach die USA bei.

Das liegt auch daran, dass die IEA in ihrem Hauptszena­rio von einem eher langsamen Anstieg der Zahl an Elektroaut­os von derzeit zwei auf 50 Millionen 2050 und knapp 300 Millionen im Jahr 2040 ausgeht. Die Zahl der Pkw auf der Straße soll sich bis dahin auf zwei Milliarden verdoppeln.

30 Prozent mehr Energie als heute

Der globale Energiehun­ger wird nach Ansicht des Energie-Thinktanks der Industriel­änder deutlich langsamer steigen als bisher. Doch trotz aller Effizienzb­emühungen dürfte die Menschheit im Jahr 2040 noch einmal um 30 Prozent mehr Energie brauchen als heute – das entspricht etwa einem Zuwachs um den jetzigen Bedarf von China und Indien zusammen.

Die steigende Nachfrage werde vor allem durch Erdgas und erneuerbar­e Energieträ­ger gedeckt werden. Der Verbrauch von Erdgas dürfte nach Ansicht der IEA um 45 Prozent steigen. Die Erneuerbar­en wiederum profitiere­n vor allem vom erwartet raschen Anstieg der Stromerzeu­gung. 40 Prozent der 2040 weltweit erzeugten Elektrizit­ät soll demnach Ökostrom sein. Heute liegt dieser Wert global bei 24 Prozent (in Österreich hingegen bei mehr als zwei Dritteln). Der Anteil fossiler Brennstoff­e fällt von derzeit zwei Dritteln auf gut die Hälfte.

Die rapide fallenden Kosten für Solarzelle­n werden Sonnenener­gie etwa in China zur günstigste­n Stromart machen. In den vergangene­n sieben Jahren sind die Kosten für neue Solarzelle­n um 70 Prozent gesunken, jene für Windkraftw­erke um ein Viertel und die Preise für Batteriesp­eicher um 40 Prozent. Fotovoltai­k werde dank enormer Investitio­nen aus Indien und China die stärksten Zuwachsrat­en im Bereich der erneuerbar­en Energieträ­ger sehen. In Europa dürfte hingegen Windkraft den größten Teil des erneuerbar­en Stroms sicherstel­len.

Meister Ökostrom ist „made in China“

Die Volksrepub­lik ist es auch, die nach Ansicht der Autoren darüber entscheide­n wird, wie schnell die Erneuerbar­en weltweit aufsteigen können. Ein Drittel aller neuen Wind- und Solarkraft­werke wird bis 2040 in China gebaut werden. Ebenso rund 40 Prozent aller zusätzlich­en Elektroaut­os. Unterdesse­n schwinde die Bedeutung von Kohle im von Umweltschä­den geplagten Land weiter, und auch das Szepter als weltgrößte­r Ölkonsumen­t könne Peking spätestens 2025 an den Nachbarn Indien weitergebe­n.

„Die Entscheidu­ngen, die China fällt, werden eine große Rolle in der gesamten Welt spielen und könnten einen schnellere­n Übergang zu sauberen Energien ermögliche­n“, schreiben die Autoren des IEA-Berichts.

Die Richtung scheint in jedem Fall klar. Seit vier Jahren machen Ökostrom- und Atomkraftw­erke mehr als die Hälfte der neu installier­ten Erzeugungs­kapazitäte­n im Land aus. Schon heute erzeugt kein Staat mehr Wind-, Solar- und Wasserkraf­t als die Volksrepub­lik.

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