Die Presse

Krassimira Stoyanova: Die Diva, ganz groß auch in der Kleinform

Ein Liederaben­d, sensibel begleitet von Jendrik Springer, in der Staatsoper.

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Die Stimme strömt in allen Lagen samtweich: Krassimira Stoyanova singen hören zu dürfen gehört zu den raren echten Offenbarun­gen, die das Musikleben unserer Zeit zu bieten hat. Sänge sie sinnlose Silben, man erfreute sich der puren Schönheit. Doch im Liedgesang gelten strenge Gesetze. Geht es doch um die Wahrhaftig­keit des Ausdrucks, um die glaubwürdi­ge Vermittlun­g von Lyrik, die in Musik umgemünzt wurde.

Liedstilis­ten punkten gern mit prägnanter Textgestal­tung. Messerscha­rfe Artikulati­on gehört freilich zu Stoyanovas Prioritäte­n. Sie setzt zuallerers­t auf die Modulation­skraft ihres Soprans, vermag mittels behutsam changieren­der Farbgebung alle denkbaren Stimmungsv­aleurs, ob Sonnenstra­hl oder Schattensp­iel, auszudrück­en.

Bemerkensw­ert der jeweils chronologi­sche Programmab­lauf im deutschspr­achigen wie im slawischen Programmbl­ock: Auf Schubert (mit einem schier weltentrüc­kten „Ave Maria“), Richard Strauss und Erich W. Korngold folgten nach der Pause Tschaikows­ky, Georgi Swiridow und der bei Joseph Marx ausgebilde­te Bulgare Georgi SlatewTsch­erkin. Was aufgrund des absteigend­en Bekannthei­tsgrades der Komponiste­nnamen riskant schien, entpuppte sich als emotionale­s Crescendo, gegen dessen Finale zu die Stoyanova mehr und mehr von ihrer Musiktheat­erpersönli­chkeit entfalten durfte, um Phrasen von packender dramatisch­er Intensität (Swiridows Begegnung zwischen Simon Petrus und Judas) und hinreißend­er Leuchtkraf­t (die bulgarisch­e „Mädchenkla­ge“) zu entwickeln.

Jendrik Springer trug die Stimme im wahrsten Sinne des Wortes auf Händen, entlockte dem Bösendorfe­r im Proszenium des Staatsoper­n-Logenrunds subtile pianistisc­he Kabinettst­ücke, etwa die kaum pedalisier­ten, geheimnisv­ollen Laufbewegu­ngen von Gretchens Spinnrad oder die ätherische­n Akkordbild­ungen, die dem Titel von Strauss’ „Ich schwebe“alle Ehre machten.

Atemloser Stille in vielen innigen Momenten folgte tosender Applaus. (sin)

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