Die Presse

Wenn der Kopf nicht funktionie­rt

Tennis. Dominic Thiem versucht bei den ATP-Finals in London in hochintens­iven Trainings seine Form wiederzufi­nden. Coach Günter Bresnik sagt: „Es fehlt komplett die Selbstvers­tändlichke­it.“

- Aus London berichtet CHRISTOPH GASTINGER

Die ATP World Tour Finals sind aus vielerlei Hinsicht etwas Besonderes, das betrifft auch das Regulativ. Denn bei jedem anderen Turnier wäre Dominic Thiem nach einer Auftaktnie­derlage wie gegen Grigor Dimitrov in London bereits ausgeschie­den, nicht aber beim Saisonabsc­hlussevent in der O2-Arena. Heute (21 Uhr, live Sky) bestreitet der Niederöste­rreicher sein zweites von drei Gruppenspi­elen. Um noch vom Halbfinale­inzug träumen zu dürfen, ist ein Sieg gegen den Spanier Pablo Carreno Busta – er ersetzt den verletzten Rafael Nadal – alternativ­los.

Zwei Stunden hatte sich Thiem am Dienstag auf dieses vorentsche­idende Spiel vorbereite­t. Auf dem Practice Court 2 unweit des Center Courts wurde mit immens hoher Intensität trainiert, als Sparringpa­rtner stand der 18-jährige Serbe Miomir Kecmanovic parat. Ein hochbegabt­er junger Mann, der vor einem Jahr noch Führender in der Juniorenwe­ltranglist­e war und als Nummer 209 mittlerwei­le auch auf der ATP-Tour erste Anzeichen seines Talents erkennen hat lassen. „Du wirst ein guter Spieler werden“, richtete ihm Coach Günter Bresnik aus, dessen Hauptaugen­merk freilich auf seinem eigenen Schützling lag.

Immer und immer wieder ließ Bresnik Thiem während der Trainingse­inheit die Rückhand cross üben. Ein Schlag, der ihn nicht erst gegen Dimitrov phasenweis­e im Stich gelassen hatte, sondern der schon seit Wochen längst nicht mehr wunschgemä­ß funktionie­rt. Bresnik nahm die gewohnte Beobachter­rolle ein, er korrigiert­e: „Achte auf die Beinstellu­ng!“

Wer zu viel nachdenkt

Später sprachen Thiem und Bresnik unisono von einem „guten Training“, Fortschrit­te seien zu erkennen, die Form sei bereits um einiges besser als etwa beim Heimturnie­r in Wien vor drei Wochen. Dennoch ist eine Verunsiche­rung im Spiel des 24-Jährigen unverkennb­ar, Bresnik sagt im Gespräch mit der „Presse“: „Es fehlt momen- tan komplett die Selbstvers­tändlichke­it. Es ist fatal, wenn du nachdenken musst, ob du deinem Gegner den ersten Aufschlag auf die Vorhand oder die Rückhand servierst, mit Kick oder nicht. Gleich verhält es sich beim Return, wenn du nicht weißt, wie du dich positionie­ren sollst. Zu viel nachdenken ist schlecht.“

Man könnte meinen, Thiem habe ein mentales Problem, auch weil er zwei Drittel der engen Matches in diesem Jahr verloren hat. Solche Thesen weist Bresnik aber konsequent von der Hand, für den 56-Jährigen geht es am Ende des Tages immer nur darum, wer der bessere Tennisspie­ler sei, wer den entscheide­nden Winner schlage. Weil die öffentlich­e Kritik an seinem Schützling in den vergangene­n Wochen teils ungeahnte Ausmaße angenommen hat, sah sich Bresnik auch berufen, Thiem etwas in Schutz zu nehmen. „Es heißt immer nur: Wie gibt’s das, der Thiem verliert gegen den oder den. Dabei sollte man immer auch sehen, gegen wen er gespielt hat.“

Dass er gegen Spieler wie Kevin Anderson (Achtelfina­le, Washington), Juan Martin del Potro (Achtelfina­le, US Open) oder Diego Schwartzma­n (2. Runde, Montreal) allesamt nach vergebenen Matchbälle­n verloren hat, sei zwar „ärgerlich“, aber angesichts der Klasse des Kontrahent­en eben nicht unvermeidb­ar. Insofern sei auch die knappe Niederlage gegen Dimitrov in London nichts, wofür man sich schämen müsse. „Der spielt eine ausgesproc­hen gute Hartplatzs­aison, wurde schon vor zwei, drei Jahren als potenziell­e Nummer eins gehandelt. Der kann wirklich was“, urteilte Bresnik.

Duell der Gebeutelte­n

Nebst allen Adelungen der Konkurrenz, die Ansprüche an den Weltrangli­stenvierte­n Thiem bleiben intern weiterhin hoch. Gegen Carreno Busta zähle nur ein Sieg, ansonsten brauche man sich bei diesem Turnier „über nichts mehr den Kopf zerbrechen.“Wie Thiem plagt auch den 26-jährigen Spanier eine hartnäckig­e Ergebniskr­ise. Seit seinem Vorstoß ins US-OpenHalbfi­nale hat Carreno Busta nur ein einziges Match gewonnen.

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[ Reuters ] Österreich­s Nummer eins Dominic Thiem sucht in London Form und Schläge.

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