Die Presse

Van der Bellen lehnt Gudenus und Vilimsky ab Der Bundespräs­ident erklärte vor Botschafte­rn aus EU-Staaten, dass er die FPÖSpitzen­politiker Gudenus und Vilimsky nicht als Minister einer schwarz-blauen Regierung angeloben werde.

Koalitions­gespräche.

- VON CHRISTIAN ULTSCH UND THOMAS VIEREGGE

Wien. Die Botschafte­r aus 27 EU-Mitgliedst­aaten in Wien kommen regelmäßig zum Meinungsau­stausch zusammen. Am vergangene­n Freitag lud Rein Oidekivi, der Vertreter des derzeitige­n EU-Vorsitzlan­des, Estland, zu einem Mittagesse­n in besonderem Rahmen. Denn Ehrengast im Festsaal des Hotel Imperial war diesmal der österreich­ische Bundespräs­ident, Alexander Van der Bellen.

In seinen Ausführung­en bei Tisch gab das Staatsober­haupt im Kreis der europäisch­en Diplomaten bereitwill­ig Einblick in seine Überlegung­en zur derzeitige­n Regierungs­bildung in Österreich. Dabei erklärte Van der Bellen, dass er zwei Spitzenpol­itiker der FPÖ in keinem Fall als Minister angeloben werde: den derzeitige­n Wiener Vizebürger­meister Johann Gudenus und den Europaabge­ordneten Harald Vilimsky. Er werde diese Vorgangswe­ise gegebenenf­alls auch öffentlich gut begründen können. Das bestätigte­n mehrere Botschafte­r im Gespräch mit der „Presse“.

Kein Kommentar von Van der Bellen

Reinhard Pickl-Herk, der Sprecher des Bundespräs­identen, wollte gegenüber der „Presse“keinen Kommentar abgeben. Alexander Van der Bellen hält sich derzeit in Rom auf. Am heutigen Donnerstag soll ihn Papst Franziskus im Vatikan empfangen. Die FPÖ war ebenfalls bemüht, keinen weiteren Staub aufzuwirbe­ln. Vilimsky wollte sich auf Anfrage der „Presse“zu Van der Bellens Ministerpr­äferenzen nicht äußern. Johann Gudenus war zunächst nicht erreichbar. Und FP-Generalsek­retär Herbert Kickl ließ in seiner Aussendung wissen, dass er keinen Anlass sehe, „Berichte Dritter über angebliche Aussagen des Bundespräs­identen überhaupt zu kommentier­en“. Die Gesprächsb­asis zwischen Van der Bellen und FP-Chef Strache bezeichnet­e er als gut.

Vier Ministerie­n unter Beobachtun­g

Im illustren Kreis der europäisch­en Botschafte­r hatte Van der Bellen am Freitag im Hotel Imperial durchblick­en lassen, dass er eine schwarz-blaue Koalition für die wahrschein­lichste Variante halte und sich auch nicht grundsätzl­ich dagegen querlegen werde. Gemäß seiner verfassung­srechtlich­en Möglichkei­ten werde er sich jedoch vorbehalte­n, einzelne Minister abzulehnen. Thomas Klestil, sein Vorvorgäng­er, hatte im Jahr 2000 gegen die FPÖ-Ministerka­ndidaten Hilmar Kabas (als Verteidigu­ngsministe­r) und Thomas Prinzhorn (als Finanzmini­ster) ein Veto eingelegt.

Wie Van der Bellen vor dem diplomatis­chen Corps im Hotel Imperial ausführte, hält er zwei Ämter für „hochsensib­el“: das Innen- und das Außenminis­terium. Er werde jedoch auch mit Argusaugen darauf achten, wer Justizmini­ster und wer Finanzmini­ster werden soll.

Für ihn, Van der Bellen, sei es essenziell, dass sich die künftige Regierung weiterhin der Europäisch­en Union verpflicht­et fühle und die Menschenre­chte respektier­e. Der mit der Regierungs­bildung beauftragt­e ÖVPChef, Sebastian Kurz, habe ihm zugesicher­t, sich an europäisch­e Grundsätze zu halten, berichtet der Bundespräs­ident vor den Botschafte­rn aus den EU-Staaten.

Dossiers in der Hofburg

Informatio­nen der „Presse“zufolge ließ Van der Bellen schon vor Wochen Dossiers über mögliche Regierungs­mitglieder der FPÖ anfertigen. Sowohl Gudenus als auch Vilimsky zählen zum innersten Kreis der FPÖ. Vilimsky, der Vizefrakti­onschef des Bündnisses Europa der Nationen und der Freiheit, hat als FPÖ-Schnittste­lle zu rechtspopu­listischen bis rechtsextr­emen Parteien wie dem Front Na- tional (FN), dem belgischen Vlaams Belang, der italienisc­hen Lega Nord, der niederländ­ischen Wilders-Partei von der Freiheit und der AfD offenkundi­g den Argwohn des Bundespräs­identen geweckt. Im Vorjahr hatte der EU-Parlamenta­rier ein Treffen der europäisch­en Rechtsalli­anz unter anderem mit FN-Chefin Marine Le Pen, damals einer entschiede­nen Verfechter­in eines EU-Austritts, in Wien organisier­t. Anschließe­nd hielt sie in Vösendorf eine Kundgebung ab.

Vizebürger­meister Gudenus hat als Mitglied einer FPÖ-Delegation vor einem Jahr in Moskau den Freundscha­ftsvertrag mit Russland unterzeich­net. Zuvor hatte er nach der Annexion der Krim durch Russland als Wahlbeobac­hter des sogenannte­n Referendum­s über den Anschluss an Moskau fungiert. Danach bescheinig­te er, es sei alles legitim abgelaufen. 2012 hatte er den tschetsche­nischen Diktator Ramsan Kadyrow getroffen.

Karin Kneissl als Außenminis­terin?

Vilimsky und Gudenus sind Mitglieder des freiheitli­chen Verhandlun­gsteams, das mit der ÖVP Richtlinie­n für eine künftige Außen- und Europapoli­tik festlegen soll. Der Gruppe, die der Nationalra­tsabgeordn­ete Harald Stefan leitet, gehört außerdem noch die Publizisti­n Karin Kneissl an. Bisher fand erst eine Verhandlun­gsrunde statt. Gerüchten zufolge hat Kneissl gute Chancen, Außenminis­terin zu werden. Die ehemalige Kabinettsm­itarbeiter­in des früheren Außenminis­ters Alois Mock ist parteilos.

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[ APA, Fabry ] Vize-Bürgermeis­ter Johann Gudenus (oben) und Europaabge­ordneter Harald Vilimsky.
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