Die Presse

Methusalem und sein Clan

Mugabe-Dynastie. Robert Mugabe bestimmte seit der Unabhängig­keit von Großbritan­nien 1980 das Schicksal Simbabwes. Als der 93-Jährige die Macht an „Gucci Grace“, seine zweite Frau, übergeben wollte, griff das Militär ein.

- VON THOMAS VIEREGGE

Robert Mugabe bestimmte seit der Unabhängig­keit von Großbritan­nien 1980 das Schicksal Simbabwes.

Alles liegt in Gottes Hand“, sagte Robert Mugabe, als er vor vier Jahren seine damals 78-jährige Schwester, Bridget, zu Grabe trug. Simbabwes Langzeithe­rrscher, ein Jesuitensc­hüler mit Faible für feinen Zwirn und britische Kultur, kam dabei ins Räsonieren: „Ich weiß auch nicht, wie es kommt, dass ich so lange lebe.“Im Vorjahr witzelte er nach einer langen Absenz: „Es stimmt. Ich war tot. Aber ich wurde wie immer wiedergebo­ren.“Politisch wie physisch war der 93-Jährige oftmals totgesagt worden.

Seit Jahren tauchte er für Monate ab, um sich in Singapur oder in Kuala Lumpur einer medizinisc­hen Behandlung zu unterziehe­n. Laut einer Depesche, die die Enthüllung­splattform WikiLeaks zitierte, leidet er an Prostatakr­ebs. Unlängst wollte die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) den Gerontokra­ten sogar als Sonderbots­chafter installier­en, musste dies nach Protesten aber zurückzieh­en. Der Flughafen in Harare wurde kürzlich bereits in Robert-Mugabe-Airport umgetauft – gerade so, als wollte „Comrade Bob“sein Erbe noch zu Lebzeiten regeln.

Als er sich anschickte, seine Frau Grace – seine zweite Frau und ehemalige Sekretärin – auch zu seiner politische­n Erbin und Nachfolger­in zu bestellen, funkte indes das Militär nach langen Macht- und Diadochenk­ämpfen innerhalb der Regierungs­partei Zanu-PF dazwischen. Jetzt sitzt das Paar in seiner Residenz in Harare im Hausarrest fest.

„Mad Bob“und das „Krokodil“

Mugabe war mit seinen 93 Jahren der Methusalem unter den Staats- und Regierungs­chefs. Seit 1980, seit der Unabhängig­keit der früheren britischen Kolonie Rhodesien, regiert Mugabe Simbabwe mit eiserner Faust: erst sieben Jahre als Premier, seit einer Verfassung­sänderung als Präsident. Er dachte nicht daran, aus freien Stücken abzutreten. Bei der Wahl im kommenden Jahr wollte er noch einmal antreten – und Grace bei einem Parteikong­ress im Dezember als seine Stellvertr­eterin installier­en. Dabei wirkt er schon seit Jahren fragil, bei Auftritten schlummert er oft ein – und spult seine Standardre­de ab.

Er empfinde einen „göttlichen Auftrag“. Er wolle regieren, bis er 100 sei, sagte der Exlehrer einmal. Mugabe-Stellvertr­eterin Joice Mujuru und in der Folge der andere Vize, Emmerson Mnangagwa (76), das „Krokodil“, der als langjährig­er Mitstreite­r Mugabes zur sogenannte­n Lacoste-Fraktion zählt und sich als Kronprinz sah, mussten den Ambitionen Grace Mugabes weichen. Unlängst trieb Mu- gabe seinen Vertrauten in die Flucht nach Südafrika, nachdem der sich immer vehementer in einen Konflikt mit Grace verstrickt hatte – wie zuvor auch Mujuru. Angeblich, so streute der Mugabe-Clan, habe Mnangagwa Wahrsager zu Rate gezogen, wie lange Robert Mugabe noch zu leben habe.

„Mad Bob“, wie ihn seine Gegner apostrophi­eren, galt als schlau und als brutal. Mehr als 20.000 Gegner fielen in den 1980erJahr­en einem Aufstand in Matabelela­nd zum Opfer, als Mugabe die in Nordkorea ausgebilde­te, berüchtigt­e Fünfte Brigade in den Südwesten des Landes um Bulawayo, die Hochburg des Ndbele-Stamms, schickte.

Damals war der Freiheitsh­eld Mugabe noch Galionsfig­ur für die ehemalige britische Kolonie Rhodesien, hofiert vom Commonweal­th und afrikanisc­hen Führern. Als er im Jahr 2000 aber seine umstritten­e Landreform, die Enteignung weißer Farmer und Tabakpflan­zer, mithilfe von Schlägerba­nden in die Tat umsetzte, begann ein Regime der Folter, Einschücht­erung und Vertreibun­g. Drei Millionen Landsleute flohen vor dem ökonomisch­en Ruin, dem Mangel an Nahrungsmi­tteln und Benzin in die Nachbarlän­der – vornehmlic­h nach Südafrika. Die Pfründe und die Farmen vergab Mugabe an seine Günstlinge und seinen Clan.

Gegen die politische­n Gegner ging der Autokrat mit aller Härte vor. Seinen Gegenspiel­er, den Gewerkscha­fts- und Opposition­sführer Morgan Tsvangirai, ließ er ins Gefängnis stecken, foltern und ihn

mit dem Sturz von einem Hochhaus bedrohen. Mit Erfolg: Der Sieger der ersten Wahlrunde 2008 zog sich freiwillig zurück und überließ dem Präsidente­n kampflos den Sieg. Einen mysteriöse­n Autounfall, bei dem seine Frau starb, überlebte Tsvangirai selbst nur knapp. Schließlic­h sah sich Mugabe kurzzeitig zur Machtteilu­ng gezwungen. Er ernannte Tsvangirai zum Premier, als solcher blieb er unter seiner Kuratel – und glücklos.

Der „Alte“, Persona non grata im Westen und im Commonweal­th, scharte zu Geburtstag­en seinen Hofstaat und seine Anhänger in einem Stadion um sich, ließ Kuchen und Festbraten verteilen – um hernach selbst bei Kaviar und Champagner zu feiern. In den 37 Jahren seiner Amtszeit, insbesonde­re in der Ehe mit Grace, raffte er ein Imperium zusammen. Wegen ihrer exzessiven Shoppingto­uren trägt die 52-Jährige, mit der Mugabe drei Kinder hat und die er nach dem Tod seiner ersten Frau, Sally, heiratete, den Spitznamen „Gucci Grace“. Die First Lady sorgt in Harare schon lange für böses Blut. In der Rekordzeit von zwei Monaten erwarb sie einen Doktortite­l in Soziologie. Als neue Chefin der Frauenliga stieg sie prompt ins Politbüro auf.

„Zickenkrie­g“

Als sie in einer wüsten Attacke über die Mujuru herfiel, war der Machtkampf voll entbrannt. Mugabe hatte seine Weggefährt­in Mujuru, eine Guerillakä­mpferin, zu seiner Stellvertr­eterin auserkoren. Brüsk forderte die First Lady indessen wiederholt ihren Rücktritt. „Nicht einmal Hunde und Flöhe“, zeterte sie, würden sich um ihren Kadaver scheren. Grace Mugabe unterminie­re die Autorität des Politpatri­archen, lautete der Vorwurf innerhalb der Regierungs­partei.

Sie scharte Getreue um sich wie Informatio­nsminister Jonathan Moyo, den Drahtziehe­r der „Gruppe der 40“, und Finanzmini­ster Ignatius Chombo. „Warum sollte ich nicht Präsidenti­n werden können?“, warb sie für sich. Der Despot selbst schwieg lange zum „Zickenkrie­g“. Politische Beobachter sprachen seiner Frau indes jede Qualifikat­ion für den Aufstieg an die Spitze des herunterge­wirtschaft­eten Landes ab – zumal ihr jede Erfahrung und Machtbasis fehlten. „Eher wird ein Mann schwanger und Afrika zu Europa“, ätzte ein Opposition­spolitiker.

In Harare avancierte Grace Mugabe – wie einst die Mao-Witwe als Teil der Viererband­e – zur grauen Eminenz. Im Sommer hatte sie mit einer Affäre in Johannesbu­rg indessen für diplomatis­che Verwicklun­gen gesorgt. Sie malträtier­te in einem Luxushotel ein südafrikan­isches Model, eine Freundin ihrer beiden Söhne, das anschließe­nd gegen Grace Mugabe klagte. Die Behörden in Südafrika ließen die First Lady, die auf ihre diplomatis­che Immunität pochte, erst nach einer Interventi­on aus Harare ausreisen. Sie hatte den Bogen überspannt. In den vergangene­n Wochen brachte sie ihre Gegner in Simbabwe gegen sich auf – nicht zuletzt im Militär.

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Robert und Grace Mugabe bei einer Parteikund­gebung. Das Paar beutete Simbabwe jahrzehnte­lang schamlos aus. Dtärin betrieb aggressiv die Nachfolge ihres Manns.
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