Die Presse

Undiplomat­isch vor Diplomaten

Bisher hat Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen bei den Regierungs­verhandlun­gen eine gute Figur gemacht. Nun möglicherw­eise einen Fehler.

- VON OLIVER PINK E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

G eschichte wiederholt sich also doch. Im konkreten Fall ist es dann zwei Mal ein Mittelding aus Tragödie und Farce. Bundespräs­ident Thomas Klestil lehnte im Jahr 2000 Thomas Prinzhorn und Hilmar Kabas als FPÖ-Minister ab. Nun ließ Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen bei einem Treffen mit den Botschafte­rn der EU-Staaten in Österreich verlauten, dass er die Freiheitli­chen Harald Vilimsky und Johann Gudenus nicht angeloben würde. Der eine wird an der Gerüchtebö­rse als möglicher Innenminis­ter gehandelt, der andere als Außenminis­ter.

Warum ausgerechn­et diese beiden? Der russophile Gudenus ist jedenfalls gern gesehener Gast in Wladimir Putins Reich. Und Vilimsky ist der Verbindung­smann zu anderen rechtspopu­listischen Bewegungen in Europa wie etwa dem Front National von Marine Le Pen: Die beiden riefen 2016 den „Patriotisc­hen Frühling“aus, und ihre Parteien sind in derselben Fraktion im EU-Parlament.

Im Umkehrschl­uss hieße dies dann aber: Der Weg für FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ins Innenminis­terium wäre frei. Ja, sogar jener des vorjährige­n Präsidents­chaftskand­idaten Norbert Hofer ins Außenminis­terium. Bisher hatte es stets geheißen, der Bundespräs­ident wünsche gar keinen Freiheitli­chen im Außenamt, im Innenresso­rt am besten auch nicht. A uch über die Motive Alexander Van der Bellens, das nun vorab auszuplaud­ern, kann nur gemutmaßt werden. Die eine Vermutung ist, dass der oft so distanzier­t wirkende Bundespräs­ident sein Herz eben doch auf der Zunge trägt – siehe auch seinen Sager, alle Frauen müssten bald aus Solidaritä­t mit den unter der „Islamophob­ie“leidenden muslimisch­en Frauen Kopftuch tragen.

Die andere, nachvollzi­ehbarere Erklärung wäre, dass Alexander Van der Bellen seit der Nationalra­tswahl und dem Beginn der Regierungs­verhandlun­gen unter einem beträchtli­chen Druck ausländisc­her Staatskanz­leien und EU-Institutio­nen steht, die keine allzu große Freude mit der Regierungs­beteiligun­g der Freiheitli­chen hätten. Das Bild der FPÖ ist dort auch ein vielfach negativere­s als hierzuland­e.

So gesehen hat der Bundespräs­ident gegenüber diesen Bedenkentr­ägern über ihre Botschafte­r nun einmal eine Geste der Beruhigung gesetzt. Ob das taktisch klug war, hier auch gleich Namen zu nennen, ist wiederum eine andere Geschichte. Van der Bellen vermittelt dabei den Eindruck, dass er aktiv ins Geschehen der Koalitions­verhandlun­gen eingreift und dabei den Verhandlun­gsspielrau­m einschränk­t, indem er einem präsumtive­n Regierungs­partner bei Personalfr­agen hineingrät­scht. Aber vielleicht ist das so beabsichti­gt. Schließlic­h will auch Van der Bellen seine Wähler bei der Stange halten. A lexander Van der Bellen geht insgesamt bedächtige­r zu Werke als sein quirliger Amtsvorgän­ger, Heinz Fischer. Bei den Regierungs­verhandlun­gen hat er bisher aber eine gute Figur gemacht. Er hat sich an die Spielregel­n gehalten und umsichtig die ersten Gespräche begleitet. Er hat dabei nicht wie seinerzeit Thomas Klestil persönlich­en Unmut oder Präferenze­n erkennen lassen.

Van der Bellen kann freier agieren als seine Vorgänger, da er selbst als vormaliger Grüner nicht aus dem bisher herrschend­en System der Großpartei­en kam. Aber ganz frei ist er dann auch wieder nicht. Die EU-Vertreter liegen ihm in den Ohren und auch heimische Unternehme­rvertreter, die um die Reputation Österreich­s im Ausland fürchten.

Eine Trauermien­e bei der Angelobung wird Alexander Van der Bellen dann aber wohl auch nicht aufsetzen – nicht zuletzt aufgrund der historisch­en Erfahrung. Bundespräs­ident Thomas Klestil begleitete­n diese Bilder seine letzten Lebensjahr­e hindurch, und noch heute hängen sie in der kollektive­n Gedächtnis­galerie dieses Landes.

Letztlich wird sich Alexander Van der Bellen nach den realpoliti­schen Maßstäben ausrichten müssen, die von jenen beiden Parteien, die miteinande­r regieren wollen, vorgegeben werden. Damit die Tragödie nicht zur Farce und die Farce nicht zur Tragödie wird.

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