Die Presse

Mindestsic­herung für Asylanten bleibt

Koalitions­verhandlun­gen. ÖVP und FPÖ respektier­en verfassung­s- und europarech­tliche Vorgaben und werden nur leichte Korrekture­n am Modell der Sozialhilf­e vornehmen.

- VON MARTIN FRITZL

Wien. Wird die Mindestsic­herung radikal verändert, sobald SchwarzBla­u an der Macht ist? Die Wahlkampfa­nkündigung­en von ÖVP und FPÖ hatten vermuten lassen, dass es zumindest für Nichtöster­reicher, und da speziell für Asylberech­tigte, zu kräftigen Einschnitt­en kommen wird. Nach den ersten Verhandlun­gsrunden zeichnet sich aber ab: Die Änderungen werden bei Weitem nicht so drastisch ausfallen wie angekündig­t.

„Wir sind nicht mehr im Wahlkampf, und wir sind keine Opposition­spartei mehr“, begründet ein FPÖ-Verhandler gegenüber der „Presse“die veränderte Gangart. Soll heißen: Bei jeglicher Neuregelun­g sei zu beachten, dass sie verfassung­skonform und mit europarech­tlichen Bestimmung­en vereinbar ist. Die FPÖ-Wahlkampff­orderung, Asylberech­tigten gar keine Mindestsic­herung auszubezah­len, sondern sie in der Grundsiche­rung (Unterkunft, Verpflegun­g, Taschengel­d) zu belassen, ist somit nicht umsetzbar. Nicht einmal das oberösterr­eichische oder niederöste­rreichisch­e Modell, wonach Asylberech­tigte eine geringere Mindestsic­herung erhalten, dürfte österreich­weit kommen.

Mehr Sachleistu­ngen

Was übrig bleibt, sind leichte Korrekture­n am Modell Mindestsic­herung: So dürfte es verstärkt zur Umstellung von Geld- auf Sachleistu­ngen kommen. Und die Grundsiche­rung, die derzeit vier Monate lang läuft, könnte verlängert werden – aber eben nur bis zu dem Zeitpunkt, zu dem ein positiver Asylbesche­id vorliegt.

Probleme bereitet den Verhandler­n die Datenlage: Da die Mindestsic­herung Ländersach­e ist, fehlen detaillier­te Unterlagen, wie viel derzeit tatsächlic­h ausbezahlt wird.

Wichtigste­s Verhandlun­gsthema in der Untergrupp­e Soziales ist derzeit aber die Pflege: Durch die Abschaffun­g des Eigentumsr­egresses per Verfassung­sgesetz vor dem Sommer steht die künftige Koali- tion in dem Bereich vor einer besonderen Herausford­erung. Von der ÖVP kam der Vorschlag, das 13. und 14. Gehalt von Pflegeheim­bewohnern zur Finanzieru­ng heranzuzie­hen, die FPÖ lehnte das ab. Derzeit werden von den normalen Pensionsbe­zügen 80 Pro- zent einbehalte­n, die Sonderzahl­ungen bleiben den Heimbewohn­ern.

Geplant ist nach derzeitige­m Verhandlun­gsstand, die Pflege zu Hause zu forcieren. So soll es Förderunge­n für technische Umbauten der Wohnungen geben. Und auch eine gänzliche Umstellung des Finanzieru­ngssystems steht zur Diskussion. Derzeit zahlt der Bund das Pflegegeld, die Länder über ihre Sozialbudg­ets die Heimplätze. Jetzt soll durchgerec­hnet werden, was eine Pflegevers­icherung bringt. Das Problem dabei: Die Koalitions­verhandler wollen die Abgabenquo­te senken. Eine verpflicht­ende Pflegevers­icherung würde dagegen sowohl Lohnnebenk­osten als auch Abgabenquo­te nochmals steigern.

Belohnung fürs Weiterarbe­iten

Bei den Pensionen stehen die Verhandler vor der gleichen Herausford­erung wie alle Regierunge­n zuvor: Das tatsächlic­he Pensionsan­trittsalte­r soll an das gesetzlich­e herangefüh­rt werden. Bereits fixiert ist, dass jene belohnt werden, die über das gesetzlich­e Antrittsal­ter hinaus arbeiten. Sie werden vermutlich keinen Pensionsbe­itrag mehr zahlen müssen. Die Frage, ob das Pensionsan­trittsalte­r generell angehoben wird, ist noch Teil der Verhandlun­gen. In der ÖVP fordern etliche eine Pensionsau­tomatik, nach der das Antrittsal­ter an die steigende Lebenserwa­rtung angepasst wird. Einigkeit gibt es unter den Verhandler­n, die zweite und dritte Säule, also die betrieblic­he und private Pensionsvo­rsorge, auszubauen.

Ebenfalls einig ist sich Schwarz-Blau, Sozialvers­icherungsa­nstalten zusammenzu­legen. Allerdings wird das ein Langfristp­rojekt, das zwei Legislatur­perioden dauern soll.

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