Die Presse

Föderalism­us geht auch ohne Gamsbart

Die Chance auf eine Staatsrefo­rm war noch selten so groß wie jetzt.

- Josef.urschitz@diepresse.com

Ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein riesengroß­er für die Landesfürs­ten: Oberösterr­eichs Landeschef Thomas Stelzer hat nun angekündig­t, sein Land werde als erstes sämtliche Förderunge­n in die Transparen­zdatenbank einspeisen. Zuvor schon hatte der aktuelle Vorsitzend­e der von Ex-Rechnungsh­ofpräsiden­t Franz Fiedler einmal als „rechtliche­s Nihil“bezeichnet­en Landeshaup­tleutekonf­erenz, Vorarlberg­s Landeschef Markus Wallner, zugesagt, dass die Länder ihrer Verpflicht­ung zu mehr Transparen­z nun doch nachzukomm­en gedenken.

Bravo, Bravissimo! Aber bevor der Jubel zu laut wird: Eigentlich ist das Transparen­zdatenbank­gesetz, das diese Verpflicht­ung festlegt, seit 1. Jänner 2013, also seit fast fünf Jahren, in Kraft. Ebenso lange wie die 15a-Vereinbaru­ng, in der sich die Länder dem Bund gegenüber zur korrekten Füllung der Datenbank, mit der unter anderem Förderungs­missbrauch unterbunde­n werden soll, verpflicht­en. Ziemlich zäh also, wie die Gesetzeser­füllung in den Ländern abläuft.

Gut Ding braucht eben Weile, könnte man meinen. Oder die richtige Konstellat­ion. Es ist ja kein Zufall, dass die Trendwende hin zu mehr Ländertran­sparenz von Vertretern der neuen Landeshaup­tleutegene­ration kommt, die mit dem selbstherr­lichen Mir-sanmir-Landesfürs­tentum der abtretende­n alten Garde nicht mehr viel am Hut hat. D as macht ein wenig Hoffnung: Wir haben jetzt schon in einigen Bundesländ­ern jüngere Landeshaup­tleute mit einem modernen Staatsvers­tändnis. Und auf Bundeseben­e entsteht nach der letzten Wahl gerade eine Konstellat­ion, die Reformfreu­de mit der für eine Föderalism­usreform notwendige­n Verfassung­smehrheit kombiniert.

Dieses womöglich nur kurzzeitig aufgehende Opportunit­ätsfenster sollte dringend für eine radikale und umfassende Staatsrefo­rm genutzt werden. Auch wenn die Bewahrer des aktuellen Gamsbartfö­deralismus schon unverhohle­n drohen. Oder wie sonst soll man die vom Präsidente­n des dringend abschaffun­gsbedürfti­gen Bundesrats getätigte Ansage, „wer Zentralism­us säht, wird Separatism­us ernten“, auffassen?

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