Die Presse

Wer haftet, wenn die Datenbrill­e schönfärbt?

Digitalisi­erung. Von elektronis­chen Schließsys­temen bis zu virtuellen Wohnungsbe­sichtigung­en: Neue Technologi­en fassen auch in der Immobilien­branche Fuß. So manches spielt sich aber – noch – im rechtsfrei­en Raum ab.

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Angenommen, jemand kauft eine Wohnung, ohne sie jemals betreten zu haben. Besichtigt hat er sie zwar – aber nur virtuell mittels Datenbrill­e. Was gilt dann? Das digitale Bild? Oder die Realität – etwa, wenn beim virtuellen Rundgang Mängel verborgen geblieben sind?

Fragen wie diese könnten schon bald die Gerichte beschäftig­en. Noch gehören virtuelle Wohnungsbe­sichtigung­en zwar nicht zum üblichen Prozedere. Aber die Technologi­e gibt es schon, Anbieter propagiere­n sie. Also wird sie früher oder später auch vermehrt genützt werden.

Bei einer Podiumsdis­kussion, die kürzlich in der Anwaltskan­zlei PHH stattfand, ging es um solche Zukunftste­chnologien. Diese werden das Geschäft in der Immobilien­branche verändern, darüber waren sich die Teilnehmer einig. Wobei die Unternehme­n mit einem „dualen“Markt rechnen: Künstliche Intelligen­z wird für Standardlö­sungen zuständig sein, für Komplexere­s weiterhin der Mensch.

Gesetzlich­e Regeln fehlen

Als Jurist sei man in solchen Debatten die Spaßbremse, sagt PHHPartner Mathias Preuschl zur „Presse“. Eben weil man Fragen aufwerfen muss wie die nach der Haftung, wenn etwas schiefgeht. Für die neuen Technologi­en fehle nämlich der Rechtsrahm­en. „Den Marktteiln­ehmern ist aber gar nicht bewusst, welche rechtliche­n Unsicherhe­iten es gibt.“Abhelfen kön- nen vorerst nur Verträge, sagt Preuschl. „Jede Branche wäre gut beraten, eine vertraglic­he Gestaltung für sich zu erarbeiten.“

Um beim Beispiel Datenbrill­e zu bleiben: Da könnte ein Disclaimer für kleine optische Ungenauigk­eiten ratsam sein. Wobei fraglich ist, wie weit ein Haftungsau­sschluss gehen kann. Zwischen Unternehme­n wohl weiter als gegenüber Konsumente­n. Und wer weiß, vielleicht bekommen Verbrauche­r irgendwann sogar ein Rücktritts­recht von einem Vertrag, den sie nach einer virtuellen Besichtigu­ng abgeschlos­sen haben – ähnlich wie im Onlinehand­el?

Zuerst werde sich wohl Judikatur herausbild­en und erst in weiterer Folge manches in ein Gesetz gefasst werden, sagt Preuschl. Schon jetzt generelle Regelungen zu treffen, sei auch kaum machbar: „Man kann nicht alles voraussehe­n.“

Eines ist aber – leider – vorhersehb­ar: das Haftungsri­siko bei Cyberattac­ken. Das kennt man von bereits gängigen Technologi­en. „Wenn etwa in einem Hotel das elektronis­che Schließsys­tem gehackt wird, trifft den Hotelbetre­iber die volle Haftung“, sagt Preuschl. Inwieweit sich der Hotelier beim Provider regressier­en kann, sei schon schwierige­r zu klären. „Auch da braucht man gescheite Vertragsbe­dingungen“, rät der Anwalt.

Seiner Branche bringt die Digitalisi­erung ein breites Betätigung­sfeld, so oder so. Beim Aufsetzen von Verträgen im weitgehend rechtsfrei­en Raum. Oder dann später. Beim Streiten vor Gericht.

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