Wackelt das freie Wochenende in Österreich?
Ruhezeit. Der EuGH erlaubt zwölf Arbeitstage hintereinander. Was heißt das für Österreich?
Fünf Tage arbeiten, dann zwei Tage frei. Oder, als absolutes Minimum, nach sechs Tagen im Job zumindest ein gänzlich arbeitsfreier Tag. So schaut für die meisten Dienstnehmer die Arbeitswoche aus. Aber muss das laut Unionsrecht zwingend so sein? Damit hatte sich kürzlich der EuGH zu befassen. Seine Rechtsansicht wird Arbeitnehmer nicht unbedingt freuen: Die gewohnte Abfolge von Arbeit und Freizeit ist demnach nicht in Stein gemeißelt (C-306/16). Nach EURecht könnte bis zu zwölf Tage hintereinander gearbeitet werden. Was gleich die nächste Frage aufwirft: Wackelt jetzt in Österreich das freie Wochenende?
Aber der Reihe nach: Der Fall, um den es ging, betraf einen Arbeitnehmer in Portugal. Dieser war in einem Casino beschäftigt, das, abgesehen vom 24. Dezember, täglich geöffnet hat. Den Mitarbeitern stehen dort pro Woche zwei zusammenhängende freie Tage zu. Ab 2010 waren die Dienste so organisiert, dass jeder höchstens sechs Tage hintereinander arbeiten musste. Bis dahin hatte man manchmal auch sieben Tage Dienst.
Gericht rief EuGH an
Im Jahr 2014 verlor der spätere Kläger seinen Job. Und forderte daraufhin von seinem Ex-Arbeitgeber Schadenersatz wegen der fallweisen Siebentagewochen. Er sei damit um Pflichtruhetage umgefallen, meinte er. Der Fall landete vor dem portugiesischen Berufungsgericht, und dieses wandte sich mit einer unionsrechtlichen Frage an den EuGH: Schreibt die EU-Arbeitszeitrichtlinie zwingend vor, dass die wöchentliche Mindestruhezeit immer spätestens nach sechs Arbeitstagen gewährt werden muss?
Der EU-Gerichtshof verneinte das: In der Richtlinie heißt es, dass jedem Arbeitnehmer pro Siebentageszeitraum eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden – zuzüglich der täglichen Ruhezeit von elf Stunden – zusteht. Das lasse aber offen, wann innerhalb des Siebentagezeitraums diese Mindestruhezeit zu gewähren ist. Selbst ein Zusammenziehen der Ruhetage – am Ende eines und am Anfang des darauf folgenden Bezugszeitraums – wäre demnach möglich.
Was heißt das nun für Österreich? Ist damit die verpflichtende Wochenendruhe, die hierzulande in den meisten Branchen gilt, passe?´ Nein – denn das Urteil stellt noch etwas klar: Die Richtlinie schafft nur einen Mindeststandard. Die Mitgliedstaaten dürfen Regelungen treffen, die „für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstiger sind“. Genau das tut das österreichische Arbeitsruhegesetz, indem es grundsätzlich 36 Stunden Mindestruhezeit am Wochenende, beginnend am Samstag um 13 oder ausnahmsweise um 15 Uhr, vorschreibt.
Keine Woche ohne freien Tag
Allerdings gibt es eine Reihe von Jobs, für die Ausnahmeregelungen gelten – meist dahingehend, dass man, wenn man am Wochenende arbeitet, einen Anspruch auf 36 Stunden Ruhezeit unter der Woche hat. Dafür sei die Entscheidung sehr wohl von Bedeutung, sagt Brigitte Sammer, Arbeitsrechtsexpertin bei Taylor Wessing: Einerseits, weil sie bestätigt, dass Verschiebungen der Ruhezeit innerhalb der Woche erlaubt sind. Andererseits aber auch, weil damit klargestellt ist, dass es keine Kalenderwochen ohne freien Tag geben darf.
Auf noch etwas weist Sammer hin: „Von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen, darf an Sonntagen, und auch am Samstagnachmittag, definitiv nicht gearbeitet werden.“Sich Arbeit für einen verregneten Sonntag mit heim zu nehmen, ist also meist gar nicht erlaubt, auch wenn man es freiwillig tut. Das gilt auch für Dienstnehmer mit weitgehend freier Zeiteinteilung. „Daran denken viele nicht“, sagt die Juristin. Arbeitgeber kann es aber in die Bredouille bringen. Denn sie müssen Ruhezeiten nicht nur ermöglichen, sondern auch für deren Einhaltung sorgen.