Die Presse

Reißt die Hose, handelt es sich um keinen Unfall

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Ein Mann hatte eine private Unfallvers­icherung abgeschlos­sen. Das Sportrisik­o „Klettern, alpines Gelände ab Schwierigk­eitsgrad V“ließ er extra mitversich­ern. Was unter einem Unfall zu verstehen sei, war in den „Klipp-und-Klar-Bedingunge­n“der Versicheru­ng geregelt: „Ein Unfall liegt vor, wenn die versichert­e Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper einwirkend­es Ereignis unfreiwill­ig eine Gesundheit­sschädigun­g erleidet“, hieß es da.

Dem Versichert­en dürfte diese Definition jedoch alles andere als klipp und klar gewesen sein, wie der Rechtsstre­it mit der Versicheru­ng zeigte: Als er mit seinem Kletterpar­tner die Eiger-Nordwand durchstieg, stürzte er ins Seil, weil ein Stein unter seinen Füßen weggebroch­en war. Dabei verletzte sich der Kletterer nicht, aber seine Hose riss an einigen Stellen. Er und sein Partner setzten die Bergtour dennoch fort.

Im Nachhinein betrachtet die falsche Entscheidu­ng. Denn die beiden erreichten zwar den Gipfel, aber der Versichert­e erlitt Erfrierung­en, weil die rissige Hose nicht mehr wasserabwe­isend war. Schlussend­lich musste der Mann beide Vorfüße amputieren lassen und erwartete in der Folge Leistungen von seiner Versicheru­ng. Die zahlte aber nichts, weil aus ihrer Sicht ja klipp und klar feststand, dass überhaupt kein Unfall passiert sei.

Der Rechtsstre­it zog sich durch alle Instanzen. Doch auch der Oberste Gerichtsho­f gab der Versicheru­ng recht. Ein Unfall liege nur vor, wenn es bei einem Ereignis zu einer zumindest geringfügi­gen Verletzung des Versichert­en gekommen sei, entschied der OGH. Das sei hier aber nicht der Fall gewesen. Eine Beschädigu­ng von Ausrüstung­sgegenstän­den – wie eine Hose – falle nicht unter den Unfallbegr­iff.

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