„Ein bisschen wie wilder Westen“
Sowohl die FMA als auch die europäische Aufsichtsbehörde Esma warnen vor virtuellen Börsengängen. Initial Coin Offerings seien nichts für Kleinanleger, sagt Esma-Chef Maijoor.
Wien. Es ist ein noch relativ junges Phänomen am Kapitalmarkt, aber eines, das sich rasend schnell entwickelt: virtuelle Börsengänge in Form sogenannter Initial Coin Offerings (ICO). „Weder 2015 noch 2016 war das ein Thema. Seit heuer, vor allem seit dem zweiten Halbjahr, nimmt die Zahl dieser ICOs aber sehr schnell zu“, sagt Steven Maijoor, Chef der europäischen Kapitalmarktaufsichtsbehörde Esma, am Dienstagabend vor Journalisten. Laut Zahlen der Esma wird es heuer in Europa bereits 80 solche ICOs mit einem Volumen von rund 400 Mio. Euro geben.
Bei einem ICO wird eigentlich eine Kryptowährung erstellt – meist auf der Basis der bereits bestehenden Kryptowährung Ethereum. Allerdings können die dabei ausgegebenen sogenannten Tokens auch verwendet werden, um einen Anteil an einem Unternehmen oder Anteile an künftigen Gewinnen zu verbriefen. Schlussendlich handelt es sich dabei also mitunter eigentlich um Aktien, die allerdings abseits von etablierten Börsen und des regulierten Kapitalmarkts emittiert werden.
„Die derzeitige Situation ist ein bisschen wie der wilde Westen“, so Maijoor. Ähnlich sieht das auch Klaus Kumpfmüller, Vorstand der heimischen FMA. Das sei auch der Grund, warum die Aufsichtsbehör- den in den vergangenen Tagen offizielle Warnungen für Investoren aussprachen. Den Anfang machte bereits in der Vorwoche die deutsche BaFin, „Die Presse“berichtete. Anfang dieser Woche zogen die Esma und die FMA nach.
„Verlust des Investments“
„Wir haben einen Warnung an die Investoren herausgegeben, dass es bei ICOs große Risiken gibt – bis hin zum Verlust des gesamten Kapitals“, so Maijoor. Denn ein Großteil davon sei außerhalb der regulierten Sphäre, es gebe also keinerlei Prospektpflicht und keine vollumfassende Prüfung durch die Aufsicht, bevor das Geld von den Investoren eingesammelt werde. Daher komme es auch immer wieder zu Fällen mit „betrügerischer Absicht“, so Maijoor weiter. „Aus unserer Sicht ist das daher kein Be- reich des Finanzmarktes, wo Kleinanleger sich bewegen sollten. Wer dort investiert, muss bereit sein, einen vollständigen Verlust hinzunehmen.“
Die Esma will die Entwicklung des Marktes in den kommenden Monaten weiter genau beobachten. Die Notwendigkeit, jetzt bereits regulativ einzuschreiten, sieht er allerdings noch nicht. Bei der FMA sieht man das etwas anders. So wünscht sich Kumpfmüller einen „offensiven Zugang“bei der Regulierung. „Denn sobald Investoren ihr Geld verlieren, wird ohnehin der Ruf nach der Aufsicht laut werden.“Mittelfristig sei eine Regulierung daher unumgänglich.
Derzeit setzt aber auch die FMA auf eine Warnung an die Investoren und den engen Kontakt mit den emittierenden Unternehmen – meist Fintechs. Vielen da- von sei ja auch gar nicht bewusst, inwiefern sie eigentlich zu regulierende Bereiche betreffen, so Kumpfmüller. „Wir treten mit Fintechs in Kontakt und haben einige Firmen auch dazu gebracht, ihr Geschäftsmodell zu ändern.“Man dürfe den technologischen Fortschritt nicht aufhalten, der Schutz der Investoren müsse aber auch in diesem Bereich auf jeden Fall so gut wie möglich gewährleistet sein.
Mehr Rechte für Aufsicht
Helfen dürfte den Aufsichtsbehörden dabei die Einführung der neuen EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente („Markets in Financial Instruments Directive“– MiFID II), die ab 2018 in Kraft treten wird. Denn dadurch erhalten sowohl Esma als auch die FMA erstmals die Möglichkeit, Produkte vom Markt zu nehmen, wenn sie für Investoren und den Finanzmarkt schädlich sind. Inwiefern das zutreffe, müsse jedoch im Einzelfall beurteilt werden, so Maijoor. Als mögliches Beispiel aus der Vergangenheit nennt der ehemalige Chef der niederländischen Aufsicht Finanzprodukte, bei denen in Teak-Holz-Produktionen investiert werden konnte und die in Holland großflächig zu Totalverlusten geführt haben. Eine Erfahrung, die auch heimische Investoren machen mussten. (jaz)