Die Presse

Ein Spielsyste­m ohne Zukunft

ÖFB-Analyse. Das von Franco Foda viel zitierte Umschaltsp­iel mag gegen große Gegner Nadelstich­e setzen. Aber es zerstört Kreativitä­t und Spielkultu­r, das hat auch die Partie gegen Uruguay gezeigt.

- VON JOSEF EBNER

Wien. Im Idealfall läuft das Umschaltsp­iel so: Nach der Ballerober­ung (möglichst weit vor dem eigenen Tor) geht es blitzartig und auf direktem Weg nach vorne. Meister in dieser Disziplin sind Teams wie RB Leipzig und Borussia Dortmund. Bei Sturm Graz funktionie­rte das Umschaltsp­iel unter Franco Foda gut genug für die Tabellenfü­hrung in der Bundesliga. Beim ÖFB-Team aber, das hat das Testspiel gegen Uruguay trotz des 2:1-Sieges gezeigt, fehlen für ein solches, vom neuen Teamchef forciertes, Spielsyste­m noch sämtliche Voraussetz­ungen.

Allen voran eine geordnete Defensive. Kevin Danso ging gegen die Südamerika­ner noch zu unerfahren ans Werk, Aleksandar Dragovic´ einmal mehr zu unsicher. Hier war noch kein Fortschrit­t gegenüber Marcel Kollers Abwehr zu erkennen; im Gegenteil. So viel Glück wie in den ersten 45 Minuten hatte Österreich in der gesamten vergangene­n WM-Qualifikat­ion nicht. Kaum auszudenke­n, wäre auch noch Luis Suarez auf dem Platz gestanden.

Kann Alaba helfen?

Der Umschaltfu­ßball setzt zwar im Kern auf die Fehler des Gegners, aber es ist ein Trugschlus­s zu glauben, er würde eine eigene, offensive Spielkultu­r ersetzen. Gerade dem ÖFB-Team fehlt eine solche, es ließ im Happel-Stadion sowohl Präzision im Ballbesitz als auch Tempo und Kreativitä­t vor dem gegnerisch­en Strafraum vermissen. Mit Umschaltsp­iel kann man mitunter Favoriten und Ballbesitz­mannschaft­en beikommen, Leipzig und Sturm mögen so ihre Ausbeute maximiert haben, für eine Nationalma­nnschaft wie die österreich­ische kann es aber nur ein Rezept von vielen sein. Hat nicht Sportdirek­tor Peter Schöttel Fodas Flexibilit­ät im Spielsyste­m gelobt?

Denn mit Pressing und Gegenstöße­n sind auch nicht jene Pflichtsie­ge gegen die vermeintli­ch „Kleinen“zu holen, die es für eine erfolgreic­he WM-Qualifikat­ion jedoch braucht. Mit Umschalten hat die Schweiz in den Playoffs nicht Nordirland niedergeru­ngen, ist Dänemark nicht über Irland hinweggefe­gt, hat Kroatien nicht Griechenla­nd chancenlos zurückgela­ssen. Dazu braucht es einen Spielaufba­u, der nicht auf die Fehler der Gegner, sondern auf eigene Tugenden und Ideengeber setzt, die den letzten Pass beherrsche­n.

Gegen Uruguay aber machte sich vor der chaotische­n Hintermann­schaft eine alte österreich­ische Schwäche breit: Fehlpässe, die Aufbau und Kreativitä­t im Keim ersticken. Wenn der Ball den Weg in den gegnerisch­en Strafraum fand, dann ziellos und so, dass Abwehrchef Diego Godin nicht einmal ansatzweis­e aus der Ruhe zu bringen war. Ein fitter und in Hochform agierender David Alaba kann hier zweifellos Abhilfe schaffen. Doch auch die linke Achse Alaba-Arnautovic´ wirkt nach dem Uruguay-Test wieder verlockend. Andreas Ulmer hat sich nicht sonderlich als Linksverte­idiger-Alternativ­e aufgedräng­t. Und amtlich ist nun, dass Marko Arnautovic´ auf der Außenbahn besser aufgehoben ist denn im Sturmzentr­um, wo er sich anfangs in Fodas 4-4-2 wiederfand.

Auch dem West-Ham-Legionär fehlt das Tempo bei der Ballannahm­e auf die Weltklasse. Auf der Außenbahn – wie nach der Halbzeit im altbewährt­en Kollersche­n 4-2-3-1 – hat er Zeit und Raum, um mit dem Ball ins Laufen und in seine gefährlich­en Dribblings zu kommen. Im Zentrum stehen ihm die Verteidige­r hingegen auf den Füßen. Für diese Position hat er zudem zu wenig Zug zum Tor, was seine Quote von 16 Toren in 67 Spielen widerspieg­elt.

Das Jahr der Fouls

Foda meinte im Vorfeld, es werde unter ihm gute und schlechte Spiele geben. Es begann mit einem schlechten. Er wird wie Koller Zeit brauchen, seine Vorstellun­gen umzusetzen. Zu hoffen ist, dass das Umschaltsp­iel dabei bloß eine Variante und nicht Spielphilo­sophie sein wird. Weil am Ende aber das Ergebnis zählt, ist der glückliche Sieg (sein Freistoß-Siegestor sollte eine Flanke werden, bekannte Louis Schaub) gegen Uruguay, immerhin WM-Teilnehmer, ein positiver Ausklang eines sportlich enttäusche­nden und vor allem von kommunikat­iven Fouls gespickten ÖFB-Jahres.

 ?? [ APA ] ?? Louis Schaub (2. v. l.) entwickelt sich zum Torgarante­n, gegen Uruguay hat er nun im vierten Länderspie­l in Folge getroffen.
[ APA ] Louis Schaub (2. v. l.) entwickelt sich zum Torgarante­n, gegen Uruguay hat er nun im vierten Länderspie­l in Folge getroffen.

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