Ein Spielsystem ohne Zukunft
ÖFB-Analyse. Das von Franco Foda viel zitierte Umschaltspiel mag gegen große Gegner Nadelstiche setzen. Aber es zerstört Kreativität und Spielkultur, das hat auch die Partie gegen Uruguay gezeigt.
Wien. Im Idealfall läuft das Umschaltspiel so: Nach der Balleroberung (möglichst weit vor dem eigenen Tor) geht es blitzartig und auf direktem Weg nach vorne. Meister in dieser Disziplin sind Teams wie RB Leipzig und Borussia Dortmund. Bei Sturm Graz funktionierte das Umschaltspiel unter Franco Foda gut genug für die Tabellenführung in der Bundesliga. Beim ÖFB-Team aber, das hat das Testspiel gegen Uruguay trotz des 2:1-Sieges gezeigt, fehlen für ein solches, vom neuen Teamchef forciertes, Spielsystem noch sämtliche Voraussetzungen.
Allen voran eine geordnete Defensive. Kevin Danso ging gegen die Südamerikaner noch zu unerfahren ans Werk, Aleksandar Dragovic´ einmal mehr zu unsicher. Hier war noch kein Fortschritt gegenüber Marcel Kollers Abwehr zu erkennen; im Gegenteil. So viel Glück wie in den ersten 45 Minuten hatte Österreich in der gesamten vergangenen WM-Qualifikation nicht. Kaum auszudenken, wäre auch noch Luis Suarez auf dem Platz gestanden.
Kann Alaba helfen?
Der Umschaltfußball setzt zwar im Kern auf die Fehler des Gegners, aber es ist ein Trugschluss zu glauben, er würde eine eigene, offensive Spielkultur ersetzen. Gerade dem ÖFB-Team fehlt eine solche, es ließ im Happel-Stadion sowohl Präzision im Ballbesitz als auch Tempo und Kreativität vor dem gegnerischen Strafraum vermissen. Mit Umschaltspiel kann man mitunter Favoriten und Ballbesitzmannschaften beikommen, Leipzig und Sturm mögen so ihre Ausbeute maximiert haben, für eine Nationalmannschaft wie die österreichische kann es aber nur ein Rezept von vielen sein. Hat nicht Sportdirektor Peter Schöttel Fodas Flexibilität im Spielsystem gelobt?
Denn mit Pressing und Gegenstößen sind auch nicht jene Pflichtsiege gegen die vermeintlich „Kleinen“zu holen, die es für eine erfolgreiche WM-Qualifikation jedoch braucht. Mit Umschalten hat die Schweiz in den Playoffs nicht Nordirland niedergerungen, ist Dänemark nicht über Irland hinweggefegt, hat Kroatien nicht Griechenland chancenlos zurückgelassen. Dazu braucht es einen Spielaufbau, der nicht auf die Fehler der Gegner, sondern auf eigene Tugenden und Ideengeber setzt, die den letzten Pass beherrschen.
Gegen Uruguay aber machte sich vor der chaotischen Hintermannschaft eine alte österreichische Schwäche breit: Fehlpässe, die Aufbau und Kreativität im Keim ersticken. Wenn der Ball den Weg in den gegnerischen Strafraum fand, dann ziellos und so, dass Abwehrchef Diego Godin nicht einmal ansatzweise aus der Ruhe zu bringen war. Ein fitter und in Hochform agierender David Alaba kann hier zweifellos Abhilfe schaffen. Doch auch die linke Achse Alaba-Arnautovic´ wirkt nach dem Uruguay-Test wieder verlockend. Andreas Ulmer hat sich nicht sonderlich als Linksverteidiger-Alternative aufgedrängt. Und amtlich ist nun, dass Marko Arnautovic´ auf der Außenbahn besser aufgehoben ist denn im Sturmzentrum, wo er sich anfangs in Fodas 4-4-2 wiederfand.
Auch dem West-Ham-Legionär fehlt das Tempo bei der Ballannahme auf die Weltklasse. Auf der Außenbahn – wie nach der Halbzeit im altbewährten Kollerschen 4-2-3-1 – hat er Zeit und Raum, um mit dem Ball ins Laufen und in seine gefährlichen Dribblings zu kommen. Im Zentrum stehen ihm die Verteidiger hingegen auf den Füßen. Für diese Position hat er zudem zu wenig Zug zum Tor, was seine Quote von 16 Toren in 67 Spielen widerspiegelt.
Das Jahr der Fouls
Foda meinte im Vorfeld, es werde unter ihm gute und schlechte Spiele geben. Es begann mit einem schlechten. Er wird wie Koller Zeit brauchen, seine Vorstellungen umzusetzen. Zu hoffen ist, dass das Umschaltspiel dabei bloß eine Variante und nicht Spielphilosophie sein wird. Weil am Ende aber das Ergebnis zählt, ist der glückliche Sieg (sein Freistoß-Siegestor sollte eine Flanke werden, bekannte Louis Schaub) gegen Uruguay, immerhin WM-Teilnehmer, ein positiver Ausklang eines sportlich enttäuschenden und vor allem von kommunikativen Fouls gespickten ÖFB-Jahres.