Die Presse

Federer, das spielende Chamäleon

Tennis. Roger Federer bei der Arbeit zuzusehen, ist seit seinem Debüt vor 19 Jahren nie langweilig geworden. Dem Schweizer, 36, gelingt es immer wieder, sich neu zu erfinden.

- Aus London berichtet CHRISTOPH GASTINGER

Ganz egal, wo auf dem Erdball Roger Federer an einem Turnier teilnimmt, liegen ihm die Fans zu Füßen. Der Schweizer füllt seit über einem Jahrzehnt zwischen den USA und China große Hallen, begeistert mit spielerisc­her Eleganz und Leichtigke­it – und verkörpert Tennis für die meisten Beobachter wie kein Zweiter in der Geschichte des Sports. Schlägt Federer wie dieser Tage in London auf, genießt er praktisch ein Heimspiel.

Mit London verbindet den 36-Jährigen eine ganz eigene Geschichte, rund 24 Autokilome­ter von der O2-Arena im Osten der Stadt entfernt befindet sich das sportliche Wohnzimmer des vierfachen Familienva­ters. In Wimbledon, südwestlic­h des Zentrums gelegen, hat Federer acht Mal und damit so oft wie kein anderer Spieler gesiegt. Nur ihm hat das staunende Publikum im Mekka des Tennisspor­ts Siege gegen den britischen Superstar Andy Murray verziehen, Erfolge Federers sind irgendwann auch zu Erfolgen der Briten geworden.

Federer spielen zu sehen, ist seit seinem Profidebüt 1998 nie langweilig geworden. Der Sohn eines Schweizers und einer Südafrikan­erin hat Spielergen­erationen kommen und gehen gesehen. 2001 hat er in Wimbledon mit einem Fünfsatzsi­eg gegen den damaligen Rasendomin­ator Pete Sampras für ein mittleres Erdbeben in der Szene gesorgt, 16 Jahre später wehrte „King Roger“in seinem zweiten Gruppenspi­el der World Tour Finals den Angriff des Deutschen Alexander Zverev (20) bravourös ab und qualifizie­rte sich damit als erster Spieler für das Halbfinale.

Stets neu angepasst

Federer, das zeigt nicht nur dieser Vergleich, hat sich im Laufe seiner nun 19 Jahre andauernde­n Profikarri­ere immer wieder neu erfunden. Er hat sich an Gegner, Beläge und Material angepasst, ist so etwas wie das Chamäleon dieses Sports. Dass er im weit fortgeschr­ittenen Alter von 36 Jahren immer noch in der Lage ist, große Turniere zu gewinnen und die jun- ge Garde rund um Zverev und Dominic Thiem auf Distanz zu halten, ist nicht nur bewunderns­wert, sondern auch die Folge einer klugen Entscheidu­ngsfindung. Nach häufiger auftretend­en körperlich­en Problemen (Rücken, Knie) adaptierte Federer seinen Turnierpla­n, reduzierte seine Teilnahmen wesentlich. 2017 etwa verzichtet­e er komplett auf die Sandplatzs­aison und bestritt zweieinhal­b Monate kein Match, um seinem Körper die nötigen Ruhephasen zu geben und sich gezielt auf die nächsten Aufgaben vorzuberei­ten.

Auch sein jüngster Entscheid, nach dem Turniersie­g in Basel auf Event in Paris zu verzichten, hat sich hier, in London, als kluger Schachzug herausgest­ellt. Während Rafael Nadal angeschlag­en angereist war und nach seinem ersten Gruppenspi­el wegen Kniebeschw­erden passen musste, präsentier­t sich Federer in bester Verfassung. „Ich bin superfrisc­h“, sagt er und peilt seinen siebenten Masters-Titel an. Roger Federer – Zverev (GER) 7:6, 5:7 ,6:1.

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[ Reuters ] Roger Federer.

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