Die Presse

„Demokratie begann mit Sieg über Amazonen“

Secession. Die feministis­che US-Künstlerin R. H. Quaytman stellt im Rahmen ihrer heute eröffnende­n Einzelauss­tellung erstmals Van Veens Altmeister­gemälde „Die Perserinne­n“aus dem Kunsthisto­rischen Museum aus. Wie es dazu kam.

- VON ALMUTH SPIEGLER

Wie sind Sie auf „Die Perserinne­n“aufmerksam geworden, die im Kunsthisto­rischen Museum im Depot lagen? Zufall. Über einen gemeinsame­n belgischen Freund. KHM-Kuratorin Gerlinde Gruber suchte jemanden, der ihr bei der Finanzieru­ng der Restaurier­ung hilft. Ich suchte ein Thema für meine Secessions­ausstellun­g.

Sie arbeiten immer wieder mit alter Kunst, recherchie­ren die Geschichte, fotografie­ren, überarbeit­en, übermalen die Motive. Etwa Paul Klees „Angelus Novus“, zu sehen bei der vorigen „documenta“, bei dessen Untersuchu­ng Sie draufgekom­men sind, dass Klee auf den Druck eines Luther-Porträts gemalt hat. Ein Schock für jüdische Intellektu­elle, die dieses Bild verehren. Oh ja. Das war schlimm. Aber anderersei­ts glaube ich, Klee hat dem Antisemite­n Luther dadurch sein Gesicht geraubt. Absichtlic­h.

Bei den „Perserinne­n“liegt der „Schock“nicht verdeckt, sondern offen: Es ist die das Geschlecht enthüllend­e Geste, mit der die Männer von den eigenen Frauen wieder zurück in die Schlacht getrieben werden. Oder haben Sie auch hier etwas bisher Verborgene­s entdeckt? Ich habe eine Theorie: Ich glaube, die bisher als weiblich erachtete Figur im Zentrum des Bildes, die die Zügel des Pferdes hält, ist der Künstler selbst (Anm. Van Veen, Rubens Lehrer). Wenn man sich das Bild als Spiegel vorstellt, wäre das die Stelle, wo er stehen würde, um das Bild zu malen. Wie Velazqez’ Selbstport­rät als Maler der Meninas.

Das wäre ein Hammer für die queere Kunstgesch­ichte. Glauben Sie, es sei ein frühes feministis­ches Bild? Der Inhalt ist ja eher brutal. Man kriegt fast Mitleid mit den Männern, also wegen des Kriegs. Oh, ich nicht! Ich hätte das auch getan. Sonst hätten die Feinde die Frauen versklavt. Es ist eher eine archaische Geste. Die aber heute noch als unerzogen gilt. So ist es eher feministis­ch von mir, durch die Ausstellun­g des Bildes die Spannung herauszune­hmen. Es ist das erste Mal, zumindest nach unserer Kenntnis, dass es öffentlich zu sehen ist.

Und das in der Stadt Freuds und in der Secession, über Klimts Beethoven-Fries, der einst ähnlich schockiert­e mit der Darstellun­g von Nacktheit – und dessen Form Sie aufnehmen. Es wundert auch nicht, dass Elfriede Jelinek einen Text zu Ihrer Ausstellun­g geschriebe­n hat. Ich dachte mir, dass sie das Thema interessie­ren könnte, obwohl ich sie nicht persönlich kannte. Ich mag den Text sehr. Vielleicht erwarten die Leute, die nur den Text lesen, allerdings mehr Vulvas in der Ausstellun­g. Das Gegenstück zu den „Perserinne­n“, ein Gemälde, in dem sich die Krieger-Völker der Amazonen und der Skythen recht körperlich miteinande­r vereinen, ist gerade in der Rubens-Ausstellun­g im KHM zu sehen. Ja, ich hätte es sonst auch gerne in der Secession gehabt. Es ist so spannend – die beiden Holztafeln sind verbunden in ihren zwei Extremen: der Angst vor der Vagina in den „Perserinne­n“. Und dem Begehren der Vagina in den „Skythen und Amazonen“. Ich frage mich: Was war der Kontext dieser zwei seltsamen Bilder? Wer hat das bitte beauftragt? Sie waren in der Sammlung Rudolfs IV. – aber warum? Alles ist sehr offen für Interpreta­tion.

Und Ihre ist?

Beide Bilder zeigen ein totales Gleichgewi­cht der Macht der Geschlecht­er. Ich habe in diesem Zusammenha­ng viel Forschung gemacht, bin viel gereist: So wurde vor tausenden Jahren einmal die Gegend von ganz Osteuropa und von Iran, Syrien, Türkei, bis hi- nauf nach Sibirien von Amazonen beherrscht. Darüber ist fast nichts bekannt, aber man entdeckt jetzt immer mehr Gräber von Kriegerinn­en in voller Montur. Eine unglaublic­he Geschichte, die unterdrück­t wurde. Als ich dann im Zuge der „documenta“Vorbereitu­ng nach Athen kam, hat es mich fast geschockt, dass praktisch auf jedem großen Tempel eine Amazonen-Schlacht-Darstellun­g zu finden ist. Die Demokratie wurde sozusagen gegründet auf dem Sieg über die Amazonen.

In ihren Bildern zu den Perserinne­n scheint die kurdische Flagge auf.

Die kurdischen Kämpferinn­en der Peschmerga sind sozusagen upgedatete Amazonen. In der kurdischen Frage wird eine alternativ­e Form der Demokratie berührt: Die Gleichstel­lung der Geschlecht­er, religiöse Toleranz, eine antikapita­listische Einstellun­g. Rojava ist wirklich der einzige Ort der Welt, der mir zur Zeit Hoffnung gibt.

 ?? [ KHM] ?? Otto Van Veen, „Die persischen Frauen“(1597/1599) schicken mit eindeutige­r Geste die Männer wieder zurück in die verlorene Schlacht. Das Gemälde ist als Teil der Installati­on von R. H. Quaytman in der Secession zu sehen.
[ KHM] Otto Van Veen, „Die persischen Frauen“(1597/1599) schicken mit eindeutige­r Geste die Männer wieder zurück in die verlorene Schlacht. Das Gemälde ist als Teil der Installati­on von R. H. Quaytman in der Secession zu sehen.

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