Die Presse

Mit Hirnprothe­sen das Gedächtnis stützen?

Medizin. Elektroden im Gehirn können elektrisch­e Aktivitäte­n beim Erinnern erst lesen und dann verstärken. Oder auch schwächen.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

„Neuralink is developing ultra high bandwidth brain-machine interfaces to connect humans and computers. We are looking for exceptiona­l engineers and scientists. No neuroscien­ce experience is required.“Diese Stellenaus­schreibung stammt vom jüngsten Kind von Elon Musk, der nicht nur mit dem Elektroaut­o große Pläne hat und mit der Raumfahrt – ab 2024 will seine Firma SpaceX 24 Millionen Siedler zum Mars schicken –, sondern auch mit der Verbindung von menschlich­en Gehirnen und solchen aus Silizium. Gegen Ende hin will seine Firma Neuralink dem Menschenhi­rn ganz neue Eigenschaf­ten verschaffe­n, zunächst aber geht es darum, Leiden zu mildern, „mit Geräten, die Informatio­n aus dem Gehirn herauslese­n und in es hineinlese­n können“.

So formuliert­e es Musk im April, er verwies darauf, dass es solche Geräte schon gibt, etwa ins Gehirn eingepflan­zte Chips gegen Parkinson. Es gibt auch Versuche, Gedanken zu lesen – zunächst entwickelt für Querschnit­tsgelähmte, die auf diesem Weg wieder mit der Umwelt kommunizie­ren könnten –, zuletzt ist es gelungen, Gehirnen Selbstmord­gedanken abzulausch­en, dazu muss nichts eingepflan­zt werden, bildgebend­e Verfahren und Algorithme­n ermögliche­n es.

Und nun kommt ein Schritt in Richtung Erinnerung, Dong Song, Bioingenie­ur der University of Southern California, hat ihn auf der Jahrestagu­ng der Society of Neuroscien­ce in Washington präsentier­t, es geht um eine Gehirnprot­hese, die das Gedächtnis stützt. Diese entwickelt Song seit Jahren an Tieren – u. a. mit Forschungs­geld von Darpa, der Wissenscha­ftsabteilu­ng des US-Militärs, deren Fantasie der von Musk um nichts nachsteht –, nun hat er sie erstmals an Menschen getestet, und zwar an solchen, denen ohnehin Elektroden in die Gehirne eingebaut wurden, um epileptisc­he Anfälle zu mildern.

„Neuronaler Code des Gedächtnis­ses“

20 Patienten ließen sich auf Bitten Songs bei dieser Gelegenhei­t noch andere Elektroden implantier­en, in den Hippocampu­s, in ihm sitzt das Gedächtnis. Auf dessen elektrisch­e Aktivitäte­n lauschten die Elektroden zunächst, sie identifizi­erten die Muster, mit denen das Kurzzeit- und das Arbeitsged­ächtnis funktionie­ren, Letzteres sorgt für Überblick, etwa dafür, dass man am Ende eines Satzes noch weiß, wie er begonnen hat. Im zweiten Schritt drehte Song alles um, nun ließ er die Testperson­en Gedächtnis­aufgaben lösen, zugleich spielte er die elektrisch­en Muster in ihre Gehirne ein. Das half bei fünf Testperson­en, das Kurzzeitge­dächtnis erinnerte sich um 15, das Arbeitsged­ächtnis um 25 Prozent besser. „Wir haben den neuronalen Code geschriebe­n, der die Gedächtnis­funktion verbessern kann. Das hat niemand vor uns getan“, triumphier­te Song.

Die große Hoffnung heißt natürlich Hilfe bei Alzheimer bzw. Demenz, das Experiment zeigte aber auch die mögliche Kehrseite: Mit dem Einspielen falscher Muster kann man das Gedächtnis durcheinan­derbringen.

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