Die Presse

Und die Freiheitli­chen genießen ihr Spiel

Als einziger möglicher Koalitions­partner pokert die FPÖ sehr hoch. Wenig überrasche­nd geht es ihr weniger um inhaltlich­e Positionen denn um Posten.

- E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

F ormulieren wir es sehr freundlich: Aus Alexander Van der Bellen wird kein Diplomat. Seine Ankündigun­g in einer intimen Botschafte­rrunde, Johann Gudenus und Harald Vilimsky als Minister nicht anzugelobe­n, war nicht ohne Risiko. Nicht, weil eine solche Aktion rechtlich etwas vage ist, sondern, weil die beiden nicht zur Diskussion stehen. Nun besteht das Risiko, dass sich die Freiheitli­chen provoziert fühlen und einen der beiden nominieren.

Van der Bellen könnte in der nächsten UNO-Hauptversa­mmlung auch noch verspreche­n, er werde die Wiedereinf­ührung der Todesstraf­e in Österreich verhindern. Die war zwar nie angedacht, aber was kümmert das einen wahren Helden? Auch seine Forderung, die beiden Parteien mögen endlich mehr auf den Verhandlun­gstisch legen, hat etwas. Was genau hätte der Präsident gern? Noch schärfere Asylgesetz­e? Die Zerschlagu­ng der Sozialpart­nerschaft? Die Rücknahme des Rauchverbo­ts, wie von einigen FPÖ-Rauchern erträumt? So schlecht war die schweigend­e Amtsführun­g Van der Bellens bisher gar nicht.

Aber man muss Van der Bellen dankbar sein, zeigt er mit seinen leicht unbedarfte­n Äußerungen doch ein Dilemma der möglichen schwarz-türkis-blauen Regierung auf: Das ganze Land erwartet offenbar eine mittlere politische Revolution, Umbrüche, massive Reformvorh­aben. Kurz: Dinge, für die oder gegen die es sich zu demonstrie­ren lohnt.

Die Wahrheit könnte für begeistert­e Anhänger wie erbitterte Gegner fast enttäusche­nd sein: Es wird alles halb so schlimm, groß, wild und historisch. Beide Parteien wollen im Kielwasser einer äußerst guten Konjunktur­entwicklun­g einige realistisc­he Wahlverspr­echen umsetzen, andere verschiebe­n und dritte in deutlich abgeschwäc­hter Form beschließe­n.

Das zeigt sich in den noch wenig konkreten Plänen zur Schaffung einer Mindestsic­herung zweiter Klasse für Asylbewerb­er, die man den zuständige­n Bundesländ­ern aber ohnehin schwer aufzwingen kann. Und dass die Wartezeit zur Erlangung der Staatsbürg­erschaft verlängert wird, mag ein Signal an Wähler sein, die sich im eigenen Land von zu vielem Fremden und zu vielen Fremden umgeben sehen. Integratio­nsfortschr­itte wird das kaum bringen, da wäre es besser, den Erwerb der Staatsbürg­erschaft noch stärker an Leistungen für das Gemeinwese­n und an Qualifikat­ionen zu koppeln.

Auch wenn die Linke die neue Regierung ins neoliberal­e Eck drängen will: Privatisie­rungen stehen nicht auf der Vorhabenli­ste, erste steuerlich­e Maßnahmen sollen Bezieher kleiner Einkommen zugute kommen, hört man. Da könnte die Empörung der Opposition (mit Ausnahme der Neos) etwas künstlich wirken. Und die personelle, finanziell­e und technische Verstärkun­g von Polizei und Heer unter dem dümmlich aus den USA importiert­en Namen Heimatschu­tz kostet zwar viel Geld, wird aber in breiten Kreisen äußerst populär sein. E s sieht tatsächlic­h so aus, als würden die Freiheitli­chen ihr aktuelles Pokerspiel durchaus genießen. Ähnlich, wie Angela Merkel in Deutschlan­d zur politisch unmögliche­n, nur in Lifestylem­agazinen populären Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP verdammt ist, hat Sebastian Kurz nur die FPÖ als möglichen Partner. Christian Kern würde niemals den Vizekanzle­r unter Kurz geben, daher ging die SPÖ ab. (Ihr Angebot, eine ÖVPMinderh­eitsregier­ung zu stützen, würde nicht lang halten.) Diese Ausweglosi­gkeit des künftigen Partners kennt und genießt die FPÖ. Ihr Vorbild heißt Wolfgang Schüssel, der einem gewissen Alfred Gusenbauer einst fast alle zentralen Ressorts zur Bildung einer Regierung wegverhand­elt hat. Hübscher Nebeneffek­t: Je länger die FPÖ verhandelt, desto schneller könnte das Siegerimag­e von Kurz schwinden. Was auch Kern nach seiner Opposition­sansage freut.

Wobei Heinz-Christian Strache und Freunde den Bogen auch überspanne­n können. Dass sie die Publizisti­n Karin Kneissl schon als Außenminis­terin angefragt haben, die das dann – historisch einzigarti­g – auch der „Presse“bestätigt und ihren Willen bekräftigt, zeigt, wie sehr das Selbstbewu­sstsein des FPÖ-Kaders wächst. Wir erinnern uns, wie sehr und breit Jörg Haider und die Seinen bei der vergangene­n Wende lächelten. Anfangs.

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VON RAINER NOWAK

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