Und die Freiheitlichen genießen ihr Spiel
Als einziger möglicher Koalitionspartner pokert die FPÖ sehr hoch. Wenig überraschend geht es ihr weniger um inhaltliche Positionen denn um Posten.
F ormulieren wir es sehr freundlich: Aus Alexander Van der Bellen wird kein Diplomat. Seine Ankündigung in einer intimen Botschafterrunde, Johann Gudenus und Harald Vilimsky als Minister nicht anzugeloben, war nicht ohne Risiko. Nicht, weil eine solche Aktion rechtlich etwas vage ist, sondern, weil die beiden nicht zur Diskussion stehen. Nun besteht das Risiko, dass sich die Freiheitlichen provoziert fühlen und einen der beiden nominieren.
Van der Bellen könnte in der nächsten UNO-Hauptversammlung auch noch versprechen, er werde die Wiedereinführung der Todesstrafe in Österreich verhindern. Die war zwar nie angedacht, aber was kümmert das einen wahren Helden? Auch seine Forderung, die beiden Parteien mögen endlich mehr auf den Verhandlungstisch legen, hat etwas. Was genau hätte der Präsident gern? Noch schärfere Asylgesetze? Die Zerschlagung der Sozialpartnerschaft? Die Rücknahme des Rauchverbots, wie von einigen FPÖ-Rauchern erträumt? So schlecht war die schweigende Amtsführung Van der Bellens bisher gar nicht.
Aber man muss Van der Bellen dankbar sein, zeigt er mit seinen leicht unbedarften Äußerungen doch ein Dilemma der möglichen schwarz-türkis-blauen Regierung auf: Das ganze Land erwartet offenbar eine mittlere politische Revolution, Umbrüche, massive Reformvorhaben. Kurz: Dinge, für die oder gegen die es sich zu demonstrieren lohnt.
Die Wahrheit könnte für begeisterte Anhänger wie erbitterte Gegner fast enttäuschend sein: Es wird alles halb so schlimm, groß, wild und historisch. Beide Parteien wollen im Kielwasser einer äußerst guten Konjunkturentwicklung einige realistische Wahlversprechen umsetzen, andere verschieben und dritte in deutlich abgeschwächter Form beschließen.
Das zeigt sich in den noch wenig konkreten Plänen zur Schaffung einer Mindestsicherung zweiter Klasse für Asylbewerber, die man den zuständigen Bundesländern aber ohnehin schwer aufzwingen kann. Und dass die Wartezeit zur Erlangung der Staatsbürgerschaft verlängert wird, mag ein Signal an Wähler sein, die sich im eigenen Land von zu vielem Fremden und zu vielen Fremden umgeben sehen. Integrationsfortschritte wird das kaum bringen, da wäre es besser, den Erwerb der Staatsbürgerschaft noch stärker an Leistungen für das Gemeinwesen und an Qualifikationen zu koppeln.
Auch wenn die Linke die neue Regierung ins neoliberale Eck drängen will: Privatisierungen stehen nicht auf der Vorhabenliste, erste steuerliche Maßnahmen sollen Bezieher kleiner Einkommen zugute kommen, hört man. Da könnte die Empörung der Opposition (mit Ausnahme der Neos) etwas künstlich wirken. Und die personelle, finanzielle und technische Verstärkung von Polizei und Heer unter dem dümmlich aus den USA importierten Namen Heimatschutz kostet zwar viel Geld, wird aber in breiten Kreisen äußerst populär sein. E s sieht tatsächlich so aus, als würden die Freiheitlichen ihr aktuelles Pokerspiel durchaus genießen. Ähnlich, wie Angela Merkel in Deutschland zur politisch unmöglichen, nur in Lifestylemagazinen populären Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP verdammt ist, hat Sebastian Kurz nur die FPÖ als möglichen Partner. Christian Kern würde niemals den Vizekanzler unter Kurz geben, daher ging die SPÖ ab. (Ihr Angebot, eine ÖVPMinderheitsregierung zu stützen, würde nicht lang halten.) Diese Ausweglosigkeit des künftigen Partners kennt und genießt die FPÖ. Ihr Vorbild heißt Wolfgang Schüssel, der einem gewissen Alfred Gusenbauer einst fast alle zentralen Ressorts zur Bildung einer Regierung wegverhandelt hat. Hübscher Nebeneffekt: Je länger die FPÖ verhandelt, desto schneller könnte das Siegerimage von Kurz schwinden. Was auch Kern nach seiner Oppositionsansage freut.
Wobei Heinz-Christian Strache und Freunde den Bogen auch überspannen können. Dass sie die Publizistin Karin Kneissl schon als Außenministerin angefragt haben, die das dann – historisch einzigartig – auch der „Presse“bestätigt und ihren Willen bekräftigt, zeigt, wie sehr das Selbstbewusstsein des FPÖ-Kaders wächst. Wir erinnern uns, wie sehr und breit Jörg Haider und die Seinen bei der vergangenen Wende lächelten. Anfangs.