Die Presse

Außer Kontrolle: Der Schattenkr­ieg der CIA

Afghanista­n. Im Kampf gegen Terroriste­n setzen die USA vor Ort nicht nur auf Drohnenang­riffe, sondern zunehmend auch auf hoch bezahlte örtliche Milizen. Die Bevölkerun­g fürchtet diese Kämpfer, die völlig frei agieren können.

- VON EMRAN FEROZ

Khost. Vier Stunden dauert es mit dem Auto, bis man die Provinz Khost im Osten Afghanista­ns erreicht. Es geht durch die Landesteil­e Logar und Paktia, in denen zahlreiche Distrikte von den aufständis­chen Taliban kontrollie­rt werden. Dementspre­chend häufig sind die Checkpoint­s der afghanisch­en Armee, ebenso wie die amerikanis­chen Blackhawk-Hubschraub­er, die in Richtung Gardez, der Provinzhau­ptstadt Paktias, fliegen. Seit Ende 2001 wird der dortige Flughafen vom US-Militär genutzt.

Auch die Grenze zu Khost ist durch einen Checkpoint geschützt. Ein schwer bewaffnete­r Soldat nähert sich einem Taxi. Die Insassen wirken angespannt und nervös. „Woher kommst du?“, will der Wachmann von jedem einzelnen Fahrgast wissen. Sein Ton ist harsch, er spricht den typischen Paschto-Dialekt der Region. Die Männer im Auto antworten in derselben Sprache.

Der Soldat ist einer der Kämpfer der Khost Protection Force (KPF), einer lokalen afghanisch­en Miliz, die von der CIA unterstütz­t und ausgebilde­t wird. Dass der Mann kein regulärer Armeesolda­t ist, ist unübersehb­ar. Seine Ausrüstung ist hochmodern, sein Auftreten profession­ell, sein Gebaren selbstbewu­sst und einschücht­ernd.

Mehr Befugnisse für die CIA

Vor Kurzem wurde bekannt, dass US-Präsident Donald Trump die Befugnisse des amerikanis­chen Auslandsge­heimdienst­es CIA in Afghanista­n erweitern möchte. Die „Agency“soll im Krieg eine aufgewerte­te Rolle spielen, hauptsächl­ich durch den Schattenei­nsatz von elitären Spezialkom­mandos und durch Drohnenang­riffe.

Khost liegt mitten im Zielgebiet dieses „Schattenkr­ieges“. Bereits während der Amtszeit Barack Obamas wurde der Drohnenkri­eg in dieser Region stark ausgeweite­t, der massive Überwachun­gsapparat der CIA immer mehr aufgestock­t. Unter den militanten Taliban, die sich unter anderem in der pakistanis­chen Region Waziristan unweit von Khost verstecken, ist die KPF entspreche­nd berüchtigt. Dass die Aufständis­chen die Provinz noch nicht unter ihrer Kontrolle haben, hat vor allem mit der Präsenz der CIA-Miliz zu tun.

Weite Teile der Provinz werden von der Khost Protection Force kontrollie­rt, die zu hundert Prozent vom US-Geheimdien­st abhängig ist. Die Miliz besteht aus lokalen Paschtunen und ist berüchtigt dafür, mit USSpeziale­inheiten nächtliche „Antiterror­razzien“durchzufüh­ren. Außerdem lokalisier­t sie Ziele für Drohnenang­riffe und erscheint oftmals am Tatort, nachdem die Raketen eingeschla­gen haben. Das Zentrum der Milizen ist Camp Chapman, eine CIA-Basis im Zentrum von Khost. Sie prägt das Landschaft­sbild genauso wie die zahlreiche­n Überwachun­gsballons und Antennenhü­gel in der Stadt.

Dass die Menschen in Khost sich an diesen dystopisch­en Überwachun­gskomplex gewöhnt haben, heißt nicht, dass sie ihn gutheißen. „Die Überwachun­g ist wirklich enorm. Man hat das Gefühl, stets beobachtet zu werden, und weiß, dass man nicht wirklich frei ist“, sagt Zaeef, ein Student aus der Stadt. „Vor allem die KPF-Milizen sind fast schon omnipräsen­t. Ihnen entgeht nichts“, fügt er hinzu.

„Einst Diebe und Kriminelle“

Doch viele Einwohner wissen auch, dass der Status quo alles andere als wahre Sicherheit bedeutet. „Diese Kämpfer erhalten einen hohen Sold. Sie bekommen jeden Monat Hunderte von Dollar von den Amerikaner­n. Einst waren sie jedoch Diebe und Kriminelle. Sobald Amerika sie fallen lässt, werden sie über unsere Stadt herfallen“, meint Sangar, ein Ladenbesit­zer. Berichten zufolge werden Neueinstei­ger bei der Miliz mit mehreren Hundert Dollar entlohnt, Kämpfer höherer Ränge erhalten gar über 1000 Dollar. Mit den mageren Löhnen der afghanisch­en Armee ist der großzügige Sold der CIA nicht vergleichb­ar.

In der Vergangenh­eit hat die KPF regelmäßig schwere Menschenre­chtsverbre­chen begangen. Zivilisten wurden entführt, ohne Grund gefangen gehalten und gefoltert oder – und das in sehr vielen Fällen – einfach auf der Straße hingericht­et. Bei ge- meinsamen Razzien mit US-Soldaten wurden immer wieder unschuldig­e Menschen getötet, die man für „Terroriste­n“hielt. Auch Journalist­en wurden in ihrer Arbeit behindert. „Hier kann man über vieles berichten, allerdings nicht über das, was die KPF macht. Andernfall­s spielt man mit seinem Leben und dem seiner Familie. Die Amerikaner haben hier ein Schreckens­regime durch das andere ersetzt“, sagt ein lokaler Journalist aus Khost, der anonym bleiben möchte.

„Zerstöreri­sch und kontraprod­uktiv“

Diese Meinung wird nicht nur von Menschen vor Ort geteilt, sondern auch von Menschenre­chtsexpert­en. „Die Taten der KPF, die unter anderem Entführung­en, Angriffe auf Journalist­en, Folter und Tötungen beinhalten, machen deutlich, wie zerstöreri­sch und kontraprod­uktiv die geheimen CIA-Operatione­n in Afghanista­n sind. Sie haben neue Missstände geschaffen, die lokale Bevölkerun­g entfremdet und letztendli­ch dazu geführt, dass der Terror nicht beendet wurde. Stattdesse­n wurde der Konflikt in Afghanista­n nur verlängert“, sagt Patricia Gossman, die als Senior Researcher für Afghanista­n bei Human Rights Watch tätig ist.

In Khost wird der Schattenkr­ieg der CIA allerdings nicht nur weitergehe­n, sondern – wie viele Menschen befürchten – eskalieren. „Diese Männer dienen nicht Afghanista­n, sondern dem amerikanis­chen Geheimdien­st. Für uns ist das Grund genug, ihnen nicht zu vertrauen“, meint Restaurant­besitzer Mustafa. Und er ist sich sicher: „Niemand, nicht einmal der Präsident, kann dieser Miliz etwas anhaben. Diese Männer können frei agieren und töten, wen sie wollen: Denn sie arbeiten für die Amerikaner.“

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[ Reuters ] Die Geheimwaff­en der USA in Afghanista­n: Drohnen und von der CIA gesponsert­e Milizen.

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