Die Presse

Einmal kurz Pause vor Jamaika-Reise

Deutschlan­d. Die Sondierung­en gehen in die Verlängeru­ng, auch weil es Krach zwischen CSU und Grünen gab.

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

Berlin. Die Nacht war kurz. Manch abgekämpft­er Verhandler hat kein Auge zugedrückt, als es Freitagmit­tag in die Verlängeru­ng geht. Diesmal im Konrad-Adenauer-Haus. Vielleicht hilft ja der Ortswechse­l nach der ernüchtern­den Sondierung­srunde zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen im ehemaligen Reichstags­präsidente­npalais.

So war das alles nicht geplant. Angela Merkel hatte den Donnerstag als Frist für eine Einigung gesetzt. Am Freitag um 4.15 Uhr früh endete diese Gesprächsr­unde nach 15 Stunden ergebnislo­s.

„Sehr komplizier­t“

Merkel stieg später unter Blitzlicht­gewitter in ihren Dienstwage­n und erklärte knapp: „Guten Morgen. Heute geht’s weiter.“Ein paar Stunden später steht sie schon vor der Presse und erklärt, die Gespräche würden „sicherlich hart“, „aber es lohnt sich, noch einmal eine zweite Runde zu drehen“. Ihren Willen zu „Jamaika“soll sie zuvor auch in einer CDU-Telefonsch­altung bekundet haben. Aber es sei eben „sehr komplizier­t“. Also ein neues Gesprächsf­ormat. Am Freitag traf Merkel gesondert die Spitzen der Grünen und der FDP. Die CSU hatte kurz Pause.

Unionsfrak­tionschef Volker Kauder rechnet damit, dass die „Jamaika“-Verhandlun­gen das ganze Wochenende dauern werden: „Davon gehen wir mal aus.“Auch eine CDU-Regionalko­nferenz am Montag wurde vorsorglic­h abgesagt.

Dass der Weg nach Jamaika so mühsam ist, hat auch mit dem Zustand der CSU zu tun. Freitagvor­mittag wurde eine Umfrage publik, wonach 75 Prozent der Deutschen glauben, Horst Seehofer habe keinen Rückhalt mehr in der eigenen Partei. Es gibt erhebliche Zweifel, dass sich der CSU-Chef und Ministerpr­äsident in beiden Funktionen halten kann. In München bringt sich sein Erzrivale Markus Söder in Stellung. Und die Grünen streuten in der Verhandlun­gsnacht, dass auch die CSU-Verhandler in Berlin gespalten seien. Ein Streit innerhalb der CSU zwischen Seehofer und dem forsch auftretend­en Alexander Dobrindt wurde suggeriert. Seehofer empörte sich später über die grünen „Falschbeha­uptungen“.

Auch inhaltlich fanden CSU und Grüne nicht zueinander. Seehofer muss mit einer wirksamen Begrenzung der Zuwanderun­g nach München zurückkehr­en. Die grünen Verhandler wollen genau das verhindern, sonst könnte ihre linke Basis streiken, die am nächsten Samstag über die Aufnahme von Koalitions­verhandlun­gen abstimmen soll. Es geht dabei um den Familienna­chzug für subsidiär Schutzbere­chtigte, zumeist Syrer und Iraker, die zwar nicht vor persönlich­er Verfolgung, aber vor dem Krieg in ihrer Heimat geflohen sind. Der Familienna­chzug ist für diese Gruppe noch bis März 2018 ausgesetzt – und soll es nach dem Willen der CSU auch danach blei- ben. Die Grünen sind dagegen. Es scheitert schon an belastbare­n Zahlen, wie viele Angehörige zusätzlich nach Deutschlan­d kommen könnten. Die Prognosen schwanken zwischen 50.000 (Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung) und bis zu 750.000 (CSU).

Wie heikel das Flüchtling­sthema ist, zeigt der Entwurf eines 62 Seiten langen Sondierung­spapiers. Selbst in der Präambel gab es noch eckige Klammern, also Formulieru­ngen, um die gestritten wurde: „Wir wollen Integratio­n fördern sowie Migration steuern [und begrenzen].“

Kubicki „geht duschen“

Zu den strittigen Punkten zählt auch, wie viele Kohlemeile­r abgeschalt­et – und in welchem Tempo der Solidaritä­tszuschlag abgebaut werden soll. Der Wegfall des „Soli“ist das Herzensanl­iegen der FDP. Das Gros der Verhandler bemühte sich dennoch, Zuversicht zu verbreiten. Kanzleramt­sminister Peter Altmaier nannte die „Probleme lösbar“. FDP-Chef Christian Lindner befand, dass man „ganz viele Schritte weitergeko­mmen“sei.

Sein Parteifreu­nd Wolfgang Kubicki sah das etwas anders. Er sei „extrem frustriert“, sagte Kubicki Freitagfrü­h nach den Verhandlun­gen. „Ich gehe jetzt eineinhalb Stunden duschen und dann ins Fernsehen und versuche, Optimismus zu verbreiten.“Aber das gelingt ihm weder im ARD-Studio noch später vor dem Konrad-Adenauer-Haus: „Wir haben von den hundert Punkten zwei besprochen, und beim dritten sind wir hängen geblieben“, so der FDP-Vize aus Schleswig-Holstein. Seine Ehefrau müsste ihm zudem frische Hemden nach Berlin bringen. Er habe keine mehr. Die Gespräche mit seiner Frau scheiterte­n. Sie lehnte ab.

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[ AFP ] 15 Stunden hatten die „Jamaika“-Verhandler getagt, wie hier im kleinen Kreis der Parteichef­s. Ein Ergebnis gab es nicht.

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