Einmal kurz Pause vor Jamaika-Reise
Deutschland. Die Sondierungen gehen in die Verlängerung, auch weil es Krach zwischen CSU und Grünen gab.
Berlin. Die Nacht war kurz. Manch abgekämpfter Verhandler hat kein Auge zugedrückt, als es Freitagmittag in die Verlängerung geht. Diesmal im Konrad-Adenauer-Haus. Vielleicht hilft ja der Ortswechsel nach der ernüchternden Sondierungsrunde zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen im ehemaligen Reichstagspräsidentenpalais.
So war das alles nicht geplant. Angela Merkel hatte den Donnerstag als Frist für eine Einigung gesetzt. Am Freitag um 4.15 Uhr früh endete diese Gesprächsrunde nach 15 Stunden ergebnislos.
„Sehr kompliziert“
Merkel stieg später unter Blitzlichtgewitter in ihren Dienstwagen und erklärte knapp: „Guten Morgen. Heute geht’s weiter.“Ein paar Stunden später steht sie schon vor der Presse und erklärt, die Gespräche würden „sicherlich hart“, „aber es lohnt sich, noch einmal eine zweite Runde zu drehen“. Ihren Willen zu „Jamaika“soll sie zuvor auch in einer CDU-Telefonschaltung bekundet haben. Aber es sei eben „sehr kompliziert“. Also ein neues Gesprächsformat. Am Freitag traf Merkel gesondert die Spitzen der Grünen und der FDP. Die CSU hatte kurz Pause.
Unionsfraktionschef Volker Kauder rechnet damit, dass die „Jamaika“-Verhandlungen das ganze Wochenende dauern werden: „Davon gehen wir mal aus.“Auch eine CDU-Regionalkonferenz am Montag wurde vorsorglich abgesagt.
Dass der Weg nach Jamaika so mühsam ist, hat auch mit dem Zustand der CSU zu tun. Freitagvormittag wurde eine Umfrage publik, wonach 75 Prozent der Deutschen glauben, Horst Seehofer habe keinen Rückhalt mehr in der eigenen Partei. Es gibt erhebliche Zweifel, dass sich der CSU-Chef und Ministerpräsident in beiden Funktionen halten kann. In München bringt sich sein Erzrivale Markus Söder in Stellung. Und die Grünen streuten in der Verhandlungsnacht, dass auch die CSU-Verhandler in Berlin gespalten seien. Ein Streit innerhalb der CSU zwischen Seehofer und dem forsch auftretenden Alexander Dobrindt wurde suggeriert. Seehofer empörte sich später über die grünen „Falschbehauptungen“.
Auch inhaltlich fanden CSU und Grüne nicht zueinander. Seehofer muss mit einer wirksamen Begrenzung der Zuwanderung nach München zurückkehren. Die grünen Verhandler wollen genau das verhindern, sonst könnte ihre linke Basis streiken, die am nächsten Samstag über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen abstimmen soll. Es geht dabei um den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte, zumeist Syrer und Iraker, die zwar nicht vor persönlicher Verfolgung, aber vor dem Krieg in ihrer Heimat geflohen sind. Der Familiennachzug ist für diese Gruppe noch bis März 2018 ausgesetzt – und soll es nach dem Willen der CSU auch danach blei- ben. Die Grünen sind dagegen. Es scheitert schon an belastbaren Zahlen, wie viele Angehörige zusätzlich nach Deutschland kommen könnten. Die Prognosen schwanken zwischen 50.000 (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung) und bis zu 750.000 (CSU).
Wie heikel das Flüchtlingsthema ist, zeigt der Entwurf eines 62 Seiten langen Sondierungspapiers. Selbst in der Präambel gab es noch eckige Klammern, also Formulierungen, um die gestritten wurde: „Wir wollen Integration fördern sowie Migration steuern [und begrenzen].“
Kubicki „geht duschen“
Zu den strittigen Punkten zählt auch, wie viele Kohlemeiler abgeschaltet – und in welchem Tempo der Solidaritätszuschlag abgebaut werden soll. Der Wegfall des „Soli“ist das Herzensanliegen der FDP. Das Gros der Verhandler bemühte sich dennoch, Zuversicht zu verbreiten. Kanzleramtsminister Peter Altmaier nannte die „Probleme lösbar“. FDP-Chef Christian Lindner befand, dass man „ganz viele Schritte weitergekommen“sei.
Sein Parteifreund Wolfgang Kubicki sah das etwas anders. Er sei „extrem frustriert“, sagte Kubicki Freitagfrüh nach den Verhandlungen. „Ich gehe jetzt eineinhalb Stunden duschen und dann ins Fernsehen und versuche, Optimismus zu verbreiten.“Aber das gelingt ihm weder im ARD-Studio noch später vor dem Konrad-Adenauer-Haus: „Wir haben von den hundert Punkten zwei besprochen, und beim dritten sind wir hängen geblieben“, so der FDP-Vize aus Schleswig-Holstein. Seine Ehefrau müsste ihm zudem frische Hemden nach Berlin bringen. Er habe keine mehr. Die Gespräche mit seiner Frau scheiterten. Sie lehnte ab.